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Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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Umsatz aus. Wenn ich in der Gegend war, schaute ich immer kurz bei ihm im Liguria vorbei. Ich hatte beschlossen, ihm nichts von meinem Besuch am Grab zu erzählen. Er saß hinten in der Bar, vor sich einen großen Campari. Mein Frühstück, mein täglich Brot. Erfunden von einem Niederländer. Wenn man ihnen das hier erzählt, werden sie giftig. Adrianus der Sechste, der letzte ausländische Papst vor diesem Polen, du weißt schon. Kam aus Kampen, brachte seinen eigenen Magenbitter mit, Campari. Aber Heinz war nicht fröhlich. In der Bucht war ein Niederländer ertrunken, und er konnte keine Angehörigen erreichen. Im Meer haben sie keine Papiere bei sich, und am Strand stand nur ein Korb mit einem Handtuch. Ich habe ihn erst mal in die Tiefkühltruhe im Supermarkt gelegt. Meistens will die Familie nicht kommen, und wenn es keine Versicherung gibt, wollen sie ihren Toten auch lieber nicht wiederhaben. Der ist dann für mich. Trägt mir einen kleinen Sonderbonus vom Außenministerium ein, ist abernicht lustig. Komm morgen mal mit. Kannst du mich bei der Arbeit sehen.
    Nein, lustig war es wirklich nicht. Leichenwagen mit unrasiertem Fahrer. Stellt mir immer eine ordentliche Rechnung aus, und die teilen wir . Ich war der erforderliche Zeuge. Sonst muß ich einen anheuern, aber jetzt hab ich dich . Wir fuhren hinter dem verbeulten schwarzen Hondalieferwagen her, in Heinz’ genauso verbeultem Fiat. Letzte Woche, auf dem Heimweg nach der Disco. Angehalten worden. Eh! Signore Cheinz, Ihr Haus liegt in der anderen Richtung! Nur das Wenden klappte nicht so gut. Da war eine Mauer, die sie eigens für diese eine Nacht hingesetzt hatten. Und gelacht, die Burschen. Aber ich mußte nicht pusten. Narrow escape.
    Der Niederländer entpuppte sich als Tierarzt, ohne Frau, ohne Kinder. Ein Freund, der nicht aufzuspüren war, nur entfernte Verwandte. Und nein, er habe immer gesagt, sie sollten ihn da lassen, wo er hinfiel. Sie hatten einen armseligen Strauß geschickt, zusammen mit dem vom Ministerium und meinem sah es doch noch nach etwas aus. Wir folgten dem Sarg. Es wurde schon warm, Heinz schwitzte, in den Hügeln ist nicht April, sondern August der grausamste Monat, auch wenn das Meer in der Nähe ist. Zwei Arbeiter, Zigarette im Mund, waren an einem offenen Grab zugange, legten aber das Tuch mit dem Schädel, das sie in der Hand hatten, sofort hin, Heinz begrüßte sie. Zwei Totengräber mitihrem Yorick, in den Augen der Glanz des Trinkgelds oder des Schnapses, den sie gleich bekommen würden. Jetzt mußte der Sarg geöffnet werden. Heinz schob die durchsichtige Plastikfolie beiseite. Schauen! Ich schaute. Etwa fünfzig, grämlich, kahl. Unzufrieden, als passe ihm der Tod nicht recht. Der Anblick dauerte nur einen Moment. Heinz gab ein Zeichen, und die Männer schoben den Sarg in die Mauer. Ich dachte daran, daß er nicht wußte, daß ich in derselben Woche das Grab seiner Frau gesehen hatte.
    Ruhe in Frieden . Hörte ich ihn das wirklich sagen? Ich sah ihn an. Er hatte seine herausfordernde Miene aufgesetzt. Das sage nicht ICH. Das sagt der Staat der Niederlande. Hier darf er zehn Jahre liegen, dann ist die Pacht abgelaufen. Dann ist er ganz verschwunden. Was sie danach damit machen, weiß ich nicht. Mußt du die beiden da fragen. Zermahlen, verbrennen. Vielleicht Kunstdünger. Nie gefragt. Komisch, nicht. Was er mit dem letzten Satz meinte, weiß ich nicht. Komisch, daß er nicht wußte, was man mit diesem ausgetrockneten Körper tun würde, oder komisch, daß ein Leben so endet, daß man einen Toten beisetzt, den man nicht kennt und dessentwegen keiner kommt? Ich dachte daran, daß das Grab seiner Frau nicht geräumt worden war und jemand also noch immer die Miete bezahlte.
    Aber wie fängt man davon an, wenn der andere nicht weiß, daß man selbst von diesem Grab weiß. Liguria, Amleto ohne Yorick, Lunch am Hafen, nachHause, Kopfsprung, Whisky, Singen, Lachen. Ein fröhlicher Konsul, ohne Zweifel. Und gearbeitet, Pflicht erfüllt. Landsmann in die Mauer geschoben.

15

    Auflösung? Keine. Dies ist das wirkliche Leben, da gibt es so etwas nicht. Alkohol agiert, wirkt, frißt, attackiert, medizinische Unterlagen sind auch Romane. Kriegsgeschichten. Eine Leber kann viel aushalten, aber nicht alles, keine Grabenkämpfe, keine Fallschirmjäger hinter den Linien, keinen ständigen Blitzkrieg. Vor meiner Abreise in jenem letzten Sommer hatte Heinz mit dem Rauchen aufgehört. Man kann eine Verabredung auch verschieben. Die Felsen

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