Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
hinter einer mannsdicken Eiche hervor. Alexandra kniff misstrauisch die Lider zusammen, als er kurz vor ihr plötzlich auf die Knie fiel und einen hässlichen Nelkenstrauß hinter seinem Rücken hervorholte.
»Sorry wegen eben. War ’ne Scheißnummer von mir!«
Er schien sich der Wirkung seines Blickes bewusst zu sein, denn er sah ihr direkt in die Augen. Seine Miene war ernst und aufrichtig. Eben noch wütend über sein unmögliches Verhalten im Wald, war Alexandra jetzt beschämt und mit der Abbitte total überfordert. Da sie dazu neigte, alles, was ihr durch den Kopf ging, sofort auszusprechen, ohne weiter darüber nachzudenken, missachtete sie das Friedensangebot und ging erneut auf Konfrontation.
»Verfolgen Sie mich?«, fragte sie unverfroren und ignorierte den Blumenstrauß, obgleich er unmittelbar vor ihrem Gesicht schwebte. Harris Zimmering blieb in seiner peinlichen Haltung.
»Vielleicht«, antwortete er lächelnd.
»Was heißt das?«, hakte Alexandra sofort nach und schob dabei seinen ausgestreckten Arm mit dem Strauß ein wenig zur Seite.
»Vielleicht beschütze ich Sie auch.«
»Wovor?«
»Ich weiß nicht. Wovor fürchten Sie sich denn so?«
Alexandras schroffe Art schien ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken, er blieb hartnäckig auf den Knien und hielt ihr weiterhin die Blumen vors Gesicht. Ihre Unfreundlichkeit war nicht länger durchzuhalten, außerdem jagte ihr sein Blick von neuem warme Schauer über den Rücken.
»Vor Mäusen«, sagte sie leise.
Harris Zimmering sprang auf, griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich. »Dagegen gibt es ein absolut sicheres Mittel, vollkommen kostenlos und Tausende Male erprobt. Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen!«
»Wo?«, fragte Alexandra mit naiver Neugier, während sie hinter ihm herstolperte.
»Na im Haus! Oder wo haben Sie Ihre Mäuse?«
»Meine Mäuse! Sehr komisch! Ich schenk sie Ihnen!«
Einige Sekunden später standen beide vor ihrer geschlossenenHaustür. Harris Zimmering legte seinen Zeigefinger auf Alexandras Lippen, trat dann leise an die Tür heran, öffnete sie fast geräuschlos und machte einen Schritt in den Flur. Für einen Moment verharrte er so, dann sprang er in die Höhe und landete laut polternd auf beiden Füßen. Alexandra, die ihn bis dahin gebannt beobachtet hatte, lächelte in sich hinein.
»So. Und jetzt zeigen Sie mir den Trick, ich meine das todsichere Mittel!«, forderte sie amüsiert.
Harris kniff einen Moment argwöhnisch die Augen zusammen, dann grinste er über das ganze Gesicht.
»O Gott, wie peinlich«, dachte Alexandra noch in derselben Sekunde, aber statt sich erneut zu ärgern, ging sie laut lachend auf ihn los.
»Sie sind gemein! Sie sind so was von gemein!«
Gekonnt wehrte Harris Zimmering die harmlosen Schläge auf seinen Kopf und Oberkörper ab, ergriff dann blitzschnell ihre Hand, öffnete die Faust und legte den Blumenstrauß hinein.
»Frieden?«
Alexandra nickte. »Frieden.«
Einen Moment lang standen sie beschämt voreinander. Keiner von beiden schien zu wissen, wie er sich verhalten sollte, und so wichen sie abwechselnd dem Blick des anderen aus.
»Tut mir wirklich leid, wegen vorhin im Wald. Ist nicht mein Tag heute. Und was diesen Strauß angeht, ich weiß, er ist abscheulich, aber es gab nichts anderes«, murmelte Harris Zimmering schließlich und machte Anstalten, wieder nach draußen zu gehen. An der Tür angekommen, drehte er sich abrupt zu Alexandra um.
»Glauben Sie an Bestimmung?«
Alexandra ahnte, worauf er hinauswollte, denn er formulierte soeben ihre geheimsten Gedanken.
»Wissen Sie, als ich Sie gestern im Zug …«, sagte er zögerlich. »Ich meine, es ist doch kein Zufall, dass Sie …«
Statt weiterzusprechen, schüttelte er plötzlich den Kopf und machte auf dem Absatz kehrt.
Es war unangemessen, ihm nachzulaufen und auf den Schlussteil seines Satzes zu drängen, schließlich wusste sie doch, wie er endete. Mein Gott, was passierte hier? Liebe auf den ersten Blick? Jetzt war es an ihr, entschieden den Kopf zu schütteln.
Sie legte den Nelkenstrauß auf der alten Kommode ab und lief nach draußen.
Harris Zimmering war nirgends zu sehen. So still und leise, wie der Polizist aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden.
Ein wenig enttäuscht drehte Alexandra sich um und ging zum Haus zurück.
Auch wenn sie ihn ganz sicher nicht danach gefragt hätte, worauf seine Überlegungen abzielten, ein paar Worte mehr hätte sie gern mit ihm gewechselt.
Sie wollte gerade das
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