Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
inhalierte tief, hielt kurz die Luft an und ließ dann mit einem entspannten Lächeln genussvoll den Rauch wieder entweichen.
»Helfen Sie mir, Zimmering! Sagen Sie was, selbst wenn es sich saudämlich anhören sollte, vollkommen egal, manchmal führt es …«
Schneiders Handy bewegte sich plötzlich vibrierend über die Tischplatte. In der Erwartung, Schneider würde den Anruf entgegennehmen, hob Harris sein Bier, prostete ihm zu und lehnte sich trinkend nach hinten. Einen Augenblick lang passierte nichts. Wie ein giftiges Insekt starrte Schneider das sich langsam auf die Kante zubewegende Telefon an, doch kurz bevor es herunterzufallen drohte, wischte er es mit einer entschiedenen Handbewegung vom Tisch. Sei es, dass die Elektronik den Aufschlag nicht überstanden oder aber der Anrufer aufgelegt hatte, nun herrschte Ruhe. Ohne Überleitung redete Schneider weiter. »Wo stehen wir? Punkt eins. Die Haare und die Fasern, unsere einzigen verwertbaren Täterspuren, sind niemandem zuzuordnen. Punkt zwei. Anders als bei Beziehungstaten sind bei Serienmorden die Opferüblicherweise Fremde. Dazu passt, wenn wir Robert Schumann nehmen, der Mord an Theresia Hoefling nicht. Punkt drei. Serienmorde haben ein wiederkehrendes Muster, einen sogenannten Persönlichkeitsabdruck des Täters. Wenn es doch Schumann war, passt hier der Mord an Theresia Hoefling wieder hinein. Punkt vier. Ich hab keine Ahnung, wie wir die ganze Scheiße zusammengebastelt bekommen.«
Das giftige Insekt in der Ecke begann wieder sich zu regen. Schneider wendete langsam den Kopf, stand dann in aller Seelenruhe auf, nahm das Handy vom Boden und schleuderte es mit enormer Wucht gegen die Wand. Ohne noch einen Blick darauf zu werfen, setzte er sich wieder und prostete Harris zu.
»Wissen Sie eigentlich, wie hoch der Anteil der Rothaarigen an der Weltbevölkerung ist? Gerade mal zwei Prozent. Das Gleiche gilt für Deutschland. Fünf davon sind jetzt tot. Theresia Hoefling hätte bei Blond bleiben sollen.«
Schneider leerte sein Glas, winkte Paul zu und quittierte dessen Kopfschütteln mit einem betrübten Nicken.
»Ich frage mich, ob er seinen Radius jetzt erweitert. Irgendwann gehen ihm nämlich die Opfer aus.« In Schneiders Augen blitzte es plötzlich. »Ach du Scheiße!«, stieß er hervor und zog hektisch an seiner Zigarette. »Ihre Bekannte … verdammt … obwohl …« An seiner Mimik war nicht ablesbar, was ihm durch den Kopf ging. Er trommelte mit den Fingerspitzen nervös auf den Tisch und kniff ab und zu die Augen zusammen, was allerdings auch am Zigarettenqualm liegen konnte. Mit einem Mal sprang er auf, klopfte Harris im Vorbeigehen auf die Schulter und eilte zum Ausgang.
Als Harris kurz darauf die Gastwirtschaft verließ, lächelte er in sich hinein. Er hatte lediglich zugehört und selbst nicht einen Satz gesagt.
21.
Dem schwachen Röcheln beim Einatmen folgte nach kurzer Stille beinahe geräuschloses Ausatmen, leise und regelmäßig, gleich einem tiefen Schlaf. Das Kitzeln einer einzelnen Haarsträhne, die der warme Hauch des Atems auf ihrer Stirn hin und her bewegte, hatte Alexandra geweckt. Sie strich die Strähne hinter das Ohr und drehte sich zur Seite.
Schlaftrunken tastete sie nach Harris, aber ihre Hand griff ins Leere. Schlagartig war sie wach und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Wie konnte sie eben noch Harris’ Atem gespürt haben, wenn er schon vor Stunden gegangen war?
Die Atemgeräusche waren jetzt zwar verstummt, und fast meinte sie, sie hätte nur geträumt, aber sie spürte deutlich, dass sie nicht allein war. Irgendetwas in unmittelbarer Nähe beobachtete sie.
»Jack?« Vorsichtig und beinah geräuschlos stand sie auf, tastete sich bis zur angelehnten Tür und betätigte den Lichtschalter. Im Halbdunkel des Flures sah sie Jack aus der Küche taumeln und schlaftrunken Dehnübungen vollführen. »Du bist ’n toller Wachhund, Jack!«
Jack sah sie mit großen Augen an, aber als nichts passierte, was für ihn von Interesse war, machte er kehrt und lief in die Küche zurück. Ein leises Plumpsen zeigte an, dass er seinen Schlaf fortzusetzen gedachte. Alexandra blieb auf der Türschwelle stehen und durchforstete mit den Augen das Zimmer. Die wenigen Möbel ließen es nicht zu, dass sich in diesem Raum jemand verbergen konnte, aber das Gefühl der Anwesenheit eines anderen Menschen blieb und jagte ihrkalte Schauer über den Rücken. Sie tastete, ohne den Blick aus dem Zimmer zu wenden, nach dem
Weitere Kostenlose Bücher