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Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Gwisdek
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beiden Händen das Bild, dann spreizte er die Daumen ab und betrachtete kritisch die Ölfarbe an seinen Fingerkuppen. »Druckfrisch sozusagen! Wann hast du’s gemalt?«
    »Sonntag.«
    »Und wo ist das?«
    »Vor dem Haus! Erkennst du’s nicht?«
    Harris hielt das Bild von sich weg und betrachtete es mit halb zusammengekniffenen Augen. Dann zuckte er mit den Schultern. »Na gut, mit viel Phantasie.«
    »Wie ich schon sagte, es ist Schrott!«
    »Ich nehme es«, betonte Harris und lehnte das Bild vorsichtig gegen die Bettkante. »Hast du noch ’n Bier?«
    »Klar«, sagte Alexandra und verschwand. Als sie zurückkam, saß Harris über einen geöffneten Koffer gebeugt, den eroffensichtlich unter dem Bett hervorgezogen hatte, und betrachtete interessiert die darin liegenden Fotos.
    »Wer ist das?«
    »Niemand.«
    »Eine ganze Kiste Fotos von einem Niemand?«
    Mit zwei schnellen Schritten war Alexandra bei ihm, klappte den Deckel herunter und schob den Koffer wieder unter das Bett. Es war unmissverständlich, dass sie nicht bereit war, weiter über dessen Inhalt zu reden. »Es ist zu früh«, sagte sie bestimmt und drückte Harris die Bierflasche in die Hand. Harris hielt die Flasche samt ihrer Hand fest und zog Alexandra neben sich auf den Fußboden.
    »Und wann, meinst du, fangen wir damit an? Ich kenne dich nicht, und du weißt ebenso wenig von mir. Was ist, wenn ich mich heute Nacht in einen Werwolf verwandle?« Alexandra betrachtete ihn amüsiert. »Dann würde ich morgen noch ein Halsband kaufen und mit zwei Hunden spazieren gehen!«
    »Hey, du kannst ja richtig witzig sein!«, stellte Harris fest.
    »Ja. Siehst du, schon wissen wir was. Ich bin witzig und du wahrscheinlich ein Werwolf!«
    Harris’ Gesichtszüge wurden mit einem Mal weich. »Es steht dir!«, sagte er leise und lächelte.
    Alexandra öffnete ihre Wasserflasche und prostete ihm zu. »Okay, dann lass uns weitermachen! Wer warst du als Kind?«
    Harris zog gespielt den Kopf ein. »Ein Nichts.«
    »Kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Doch, ich war … ein kleiner Feigling.«
    »Das is ’n Schnaps, wer warst du?«
    Statt zu antworten, streckte er sich auf dem Fußboden aus, verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte an die Zimmerdecke. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich, die Pupillen begannen hin und her zu wandern, sein Mund wurde schmal. Es war augenscheinlich, dass ihm düstere Gedanken durch den Kopf gingen.
    »Es gab ein Spiel in meiner Kindheit«, begann er nach einer Weile. »Es hieß: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann.«
    »Kenn ich, haben wir auch gespielt.«
    »Wir spielten es anders. Meistens in der Dämmerung, das machte es unheimlicher. Derjenige, der das kürzeste Streichholz gezogen hatte, musste sich am Waldrand auf einen alten Baumstamm stellen … mit dem Rücken zum Wald. Wir setzten uns ungefähr zehn Meter entfernt von ihm auf die Wiese. Niemand durfte etwas sagen, er konnte nur unsere Gesichter sehen.«
    »Und was passierte dann?«
    »Nichts. Die Phantasie, das, was sich in seinem Kopf abspielt, zusammen mit der Unsicherheit, nicht zu wissen, was hinter ihm ist, das macht Angst … unsagbar grauenvolle Angst. Wer es am längsten aushielt, hatte gewonnen.«
    Der Vibrationston des Handys summte in Harris’ Hosentasche, er ignorierte ihn, Alexandra starrte hingegen wie gebannt auf seine Hose.
    »Wieso hast du hier Empfang?«, fragte sie in heller Aufregung. »Was ist das für ein Netz?«
    »E-Plus«, antwortete Harris, während er in seiner Hosentasche kramte. Er zog das Handy zur Hälfte heraus, sah auf das Display und schob es dann zurück in die Tasche. »Ich werd ’nen Teufel tun, da jetzt ranzugehen.«
    »Wieso, wer ist es?«
    »Schneider. Für ihn ist es ein Vierundzwanzig-Stunden-Job, er kann gar nicht anders, als ununterbrochen zu arbeiten. Ich vermute mal, dass er keine Frau hat, Freunde sowieso nicht. Also arbeitet er rund um die Uhr, sonst wüsste er gar nicht, was er anstellen soll. Kennst du jemanden, der freiwillig in meinem Büro übernachten würde? Ich nicht! Aber der hat sich doch tatsächlich vor sechs Wochen da einquartiert, obwohl man ihm ein Pensionszimmer angeboten hat. Er meinte, so könne er auch nachts an den Computer.«
    »Und seine Kollegen? Wie kommen die mit ihm klar?«
    »Die Sonderkommission sitzt in Eberswalde, aber Schneider wollte hierher. Er is ’n Einzelgänger. Man munkelt zwar, dass er verheiratet ist, aber mal ehrlich, welche Frau hält’s mit so einem aus? Diese ganze

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