Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
Vom Netzwerk:
doch geben, wonach Euch der Sinn steht«, meinte der Schlossermeister. »Einen schönen Schweinebraten mit allem, was dazu gehört?«
Jetzt blickte der Brouza auf.
»Einen Schweinebraten, so wie ich ihn gerne mag?« fragte er. »Nicht zu fett und nicht zu mager? Und mit ein wenig Schwarte daran?«
»Ja, mit Schwarte daran und mit Kraut und Knödeln dazu«, bestätigte ihm der kaiserliche Hofschlosser.
»Alle Wetter! Euch geht's heut gut, Herr Brouza«, sagte einer am Nachbartisch.
Der Brouza seufzte. Er hatte einen kurzen heftigen Kampf mit sich selbst auszufechten gehabt und jetzt widerstand er der Verlockung.
»Nein«, sagte er. »Ich habe es meinem Herrn, dem Kaiser, geschworen und zugelobt bei dem allmächtigen Gott und bei Maria, seiner werten Mutter, und bei dem Heil meiner Seele, das ich erhoffe, und so ist mir in diesem Leben der Mund verschlossen. Aber vielleicht, Herr Jarosch...«
Er zögerte ein wenig, als müsse er sich die Sache, die er im Sinn hatte, erst noch überlegen.
»Vielleicht«, fuhr er fort, »fügt es Gott, daß wir einander in seinem Himmel wiedersehen. Dann werde ich stracks auf Euch zugehen und Euch dort oben sagen, was ich auf Erden Euch nicht sagen durfte. Möge Gott uns diese Gnade gewähren! Amen.«
»Amen«, sagte der alte Kammerdiener, und er schlug ein Kreuz, und »Amen« wiederholten die anderen. Über den Brouza aber war jetzt seine alte Narrheit wiedergekommen, er meinte, er habe dem Schlossermeister schon zuviel versprochen und könnt' Schaden davon haben, und so beeilte er sich, diesen Fehler gutzumachen.
»Glaubt aber nicht«, klärte er den kaiserlichen Hofschlosser auf, »daß ihr es dann umsonst erfahren werdet. Nein, das schlagt Euch aus dem Kopf, ein Geheimnis wie dieses behält immer seinen Wert. Einen Schweinebraten mit Knödeln und Kraut wird es Euch auch dort oben kosten.«
Er wies gen Himmel und schloß die Augen, und der Gedanke an den himmlischen Schweinebraten lag wie ein Abglanz und Widerschein der ewigen Freuden auf seinem stoppelbärtigen, plattnäsigen und verrunzelten Gesicht.
    Das verzehrte Lichtlein
    Es war immer schon spät am Abend, wenn der Philipp Lang in dem Haus auf dem Dreibrunnenplatz erschien, wo ihn der Mendel, des Mordechai Meisl vertrauter Diener, erwartete, um ihn die Treppe hinauf zu seinem Herrn zu führen.
    Tagsüber war dieses Haus voll von Menschen und ihrem geräuschvollen Treiben. Kaufleute aus aller Herren Länder kamen, um dem Mordechai Meisl ihre Aufwartung zu machen und ihm ihre Waren anzubieten: Sammet, Marderfelle, Hutschnüre, goldene Borten, Gewürze aus Asien, Zucker, Indigo und Aloe von den Inseln der neuen Welt. Ergraute Schreiber saßen an den mit Papieren bedeckten Tischen, entwarfen Briefe und Verträge oder fertigten Rechnungen aus. Junge Männer, die aus Wien, aus Amsterdam, aus Hamburg oder aus Danzig gekommen waren, um im Hause des Mordechai Meisl die Kaufmannschaft zu erlernen, liefen mit der Feder hinter dem Ohr geschäftig hin und her oder saßen über die Papiere gebeugt, von denen sie Abschriften zu machen hatten. Böhmische Edelleute, die gegen einen Schuldschein Geld aufzunehmen begehrten, wurden ungehalten, wenn man sie warten ließ, und klagten einander, wie schlecht die Ernte gewesen sei, und mit der Rinder- und Schafszucht sei heutigen Tags auch nichts zu gewinnen, wenn man nur könnte wie die Juden Geld herleihen und Zinsen nehmen, das sei für den Juden die Egge und der Pflug. Eilige Boten brachten Briefe aus dem Posthaus. Einer von den Schreibern rief nach Siegellack, der andere nach einer frisch gespitzten Feder. Und im Hof unter den Arkaden saßen schwatzend, Bier trinkend und die Beine von sich streckend Fuhrleute, die viele Tage unterwegs gewesen waren, die ließen es sich jetzt gutgehen und sahen zu, wie die schweren Ballen und Kisten und Fässer von ihrem Wagen abgeladen wurden und in den Magazinen verschwanden. Und zwischen den Fuhrleuten, den Pferden und den Lastträgern trieb sich fröhlich kläffend, aufwartend und wedelnd der kleine Pudelhund des Mordechai Meisl umher.
    Des Abends war Stille. Die Schreiber, die Lehrjungen und die Bedienten hatten das Haus verlassen, und nur der Mendel blieb bisweilen, wenn der Herr des Hauses seiner bedurfte, und schlief in der Dachkammer. Auch heute war er geblieben, denn er hatte dem Meisl und dem Phlipp Lang des Nachts bei Tische aufzuwarten.
    Der Mordechai Meisl hatte an diesem Tag Abrechnungen, die von dem Bankhaus Taxeira in Hamburg gekommen waren,

Weitere Kostenlose Bücher