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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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uns kommen.«
Der alte Kammerdiener schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Hofft nicht aufbessere Tage! Habt Ihr vergessen, daß Seine Majestät, mein allergnädigster Herr, seine ungetreue Stadt Prag verflucht und den Zorn Gottes auf sie herabgerufen hat? Und daß Gott ihn erhört hat, das hat Euch der heutige Tag gezeigt. Jesus Maria, das viele Blut, möge Gott den armen Sündern gnädig sein! Nein, bessere Zeiten werden für uns nicht mehr kommen, und nie wieder wird die Welt einen böhmischen König sehen.« »Das, was ich immer gesagt habe«, wandte sich der Brouza an seine Zuhörerschaft, und er bekräftigte seine Worte mit einem gewichtigen Kopfnicken.
»O Jesus, so schweigt doch, ihr beiden!« hörte man die verängstigte Stimme des Sattlermeisters Votruba, die aus einem Winkel der Schankstube kam.
»Man weiß es«, sagte einer am Nachbartisch, »daß der verstorbene Kaiser die Böhmen nicht gemocht hat, bei ihm mußte alles welsch oder ausländisch sein.«
»Wenn es wahr ist, daß er Prag verflucht hat«, meinte ein anderer, »so tat er es, weil sein Geist umdüstert war.« »Nein, er war bei vollen Sinnen, — wer wüßte dies besser als ich, der ich ihm an jenem Tag zur Ader ließ«, erklärte der Barbier. »Ich sehe ihn noch heute, wie er am Fenster stand und auf die Stadt herabblickte, bleich, zitternd und mit Tränen in den Augen. Es war der Tag, an dem ihn die protestantischen Stände in der Burg gefangen hielten. >Prag hat mir keine Hilfe geleistet«, sagte er zu dem Herrn Zdenko von Lobkowitz, dem böhmischen Kanzler, der gekommen war, um Urlaub von ihm zu erbitten. >Es hat mich in meinen Nöten allein gelassen und nichts getan, ja, nicht einmal ein Roß hat es zu meinen Diensten satteln lassen.« Und dann warf mein kaiserlicher Herr, von Zorn und Kummer übermannt, seinen Hut mit solcher Heftigkeit zu Boden, daß der große Karfunkelstein, den er an Stelle einer Feder am Hut trug, sich loslöste und davonsprang, und man hat ihn nicht wiedergefunden, so sehr man auch nach ihm suchte, er war und blieb verschwunden.«
»Was seht Ihr mich an?« fuhr der Brouza auf. »Wenn ihr vielleicht damit sagen wollt, daß ich den Stein gefunden und beiseite gebracht habe, so ist das infam gelogen. Jedermann weiß, daß die Mühe der Stellung, in der mich Seine Majestät, der Bömische Kaiser, beschäftigt hielt, mir keine Zeit ließ, mich um derlei Lappalien zu bekümmern.«
Und er tat, mit seinen Gedanken noch ganz bei der Beleidigung, die ihm, nach seinem Vermeinen, zugefügt worden war, einen tiefen Zug aus seines Nachbarn, des kaiserlichen Hofschlossers, Bierkrug.
»Wenn unser allerhöchster Herr«, nahm jetzt der Lautenspieler Kasparek das Wort, »nur besser beraten gewesen wäre! Wenn er die Gefahr erkannt, die Stunde wahrgenommen und seinen Beutel nicht verschlossen gehalten hätte! Hohes Spiel will hohen Einsatz. Hätte ich damals nur Fug und Gelegenheit gehabt, — mein allergnädigster Herr, den Musik so tief berührte, hätte mir wie vordem sein Ohr geliehen, aber ich war ja in der Ungnade, durfte dieses Diokletiani wegen, den Gott verdammen möge, nicht mehr vor des Kaisers Augen kommen.«
»Er ist verdammt, dein Diokletianus, dessen magst du getrost sein«,versicherte ihm der Kammerdiener Cervenka. »Er war ein verstockter Heide und hat zudem die heilige Kirche verfolgt.«
»Seine Majestät war, müßt Ihr wissen«, erklärte indessen der Barbier dem Schlossermeister und etlichen anderen, »ein großer Liebhaber der alten römischen Münzen, hat auch von ihnen eine schöne Collection zusammengebracht, er nannte sie seine Heidenköpfchen, und aus aller Welt kamen die Gelehrten und Antiquarii, um sie zu besehen. Auch ein schlechtes kupfernes Stück war ihm nicht zu gering, der Kasparek aber hat ihm eine große silberne Münze verehrt mit des Diokletiani, des römischen Kaisers, Bildnis darauf...«
»Es war ein rares Stück«, nahm ihm der Kasparek das Wort weg, »und Seine Majestät, der Kaiser, hätte seine Freude an ihm gehabt, wenn nur der Diokletianus nicht zu meinem höchsten Unglück dereinst die Krone niedergelegt und seinem Thron entsagt hätte. So aber hat sich mein kaiserlicher Herr ein phantastisch Ding in den Kopf gesetzt: Daß ich mit dieser Münze nichts anderes bezweckt hätte, als ihn zu ermahnen, es dem Diokletiano gleich zu tun, und daß ich also in seines Bruders, des Matthias, Sold stehen müßte.«
»An jedem Fürstenhof lebt ein Kobold, der heißt Argwohn«, bemerkte der

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