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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Möbelwagens.
    »Können Sie mich ein Stück mitnehmen?« fragt er.
    »Ich bin doch kein Omnibus«, brummt der Angesprochene.
    »Det weeß ick schon, aber ick muß sehen, wie ick weiterkomme. Die Eisenbahn ist teuer.«
    »Dann bleib zu Hause, Mann.«
    Der Unbekannte zuckt mit den Schultern.
    »Ich bin kräftig«, sagt der Mann, »ich kann euch beim Abladen helfen. Hab' schon mal als Möbelpacker gearbeitet.«
    Der Mann im Führerhaus überlegt einen Augenblick.
    »Wo willst du denn überhaupt hin?«
    »So weit ihr mich mitnehmt.«
    »Wir fahren nach München.«
    »Genau da wollte ich hinmachen.«
    »Dick bist du auch noch«, brummt der Fahrer. »Na, komm rein und mach dich schlank.«
    Im 50-Kilometer-Tempo fährt der Möbelzug durch die Nacht. Der Motor würde mehr hergeben, aber die Straße ist glatt, und der Mann am Steuer will nichts riskieren.
    »Na«, sagt er zu dem Unbekannten, »sehr gesprächig bist du nicht. Wie heißt du denn überhaupt?«
    »Bruno.«
    »So heißt mein Hund«, erwidert der Mann am Steuer lachend. »Du hast Glück gehabt, Bruno. Aber jetzt erzähl einen Witz, sonst schmeiß ich dich wieder raus.«
    Es ist kalt im Führerhaus. Die Heizung funktioniert nicht richtig. Der Motorenlärm schläfert ein. In Dessau wechseln die Fahrer ab. Der Unbekannte namens Bruno bleibt ganz rechts im Führerhaus sitzen. Er lehnt den Kopf zur Seite und döst. Er scheint diese endlosen Nächte auf der Autobahn zu kennen.
    Beim nächsten Fahrerwechsel wacht er auf, zündet sich eine Zigarette an. Es ist jetzt zwei Uhr nachts, und wenn keine Panne kommt, wird der Möbelzug gegen Mittag München erreichen. Es geht alles reibungslos. Im Rasthaus Feucht bei Nürnberg wird gefrühstückt. Wieder treffen sich eine Menge Fernfahrer. Die meisten von ihnen kennen sich untereinander. Von Feucht bis München benötigt der schwere Wagen noch dreieinhalb Stunden. Der Fahrer kennt sich aus. Er findet sofort den Weg zum Möbellager in Giesing.
    »So, Bruno«, sagt er, »jetzt kannst du uns zeigen, was mit dir los ist.«
    »Das werdet ihr gleich sehen«, erwidert Bruno.
    Er hat kräftige Hände, und er weiß, wo er hinlangen muß. In zwei Stunden ist es geschafft. Die Fahrer haben jetzt 36 Stunden Zeit zum Rasten.
    »Und wo gehst du hin?« fragen sie Bruno.
    »Ick hab' 'ne Tante hier. Vielen Dank auch fürs Mitnehmen.«
    Er gibt den beiden Fahrern die Hand und geht. Ohne Ziel. Gemächlich bummelt er durch die Stadt. Planlos. Er hat kein Auge für die eleganten Geschäfte in der Maximilianstraße, er interessiert sich nicht für den lebhaften Verkehr am Stachus. Er weiß nicht einmal, wie die Stadt heißt, durch die er sich jetzt treiben läßt. Er starrt die Menschen an, und er sieht sie doch nicht.
    Der kalte Glanz der Vorfrühlingssonne spiegelt sich in tausend Lichtern von den schneeglitzernden Dächern. Der Winter bietet seinen ganzen Charme auf. Die frische Schneeluft malt die Gesichter der Menschen rot an. Sie sehen gesund aus.
    Aber das sieht Bruno, der Unbekannte, nicht. So zufällig er nach München kam: Er hat ein ganz bestimmtes, ein unheimliches Ziel. Er kam in die bayerische Landeshauptstadt, um zu morden.
    Er sucht ein Opfer. Einer von den 780.000 Menschen der Stadt wird sterben müssen. Eine ahnungslose Frau, die jetzt vielleicht gerade beim Mittagstisch sitzt oder sich mit der Nachbarin über ihre Alltagssorgen unterhält. Die an ihren Mann einen Brief schreibt oder die Strümpfe ihrer Kinder stopft. Sinnlos und brutal wird sie der Tod überraschen. Sie weiß noch nichts von ihrem Schicksal. Sie kennt den Mann, der sie ermorden wird, noch nicht. Niemand kennt ihn. Niemand verfolgt ihn auf seinen entsetzlichen Touren quer durch Deutschland.
    In einem billigen Lokal in der Nähe des Hauptbahnhofs nimmt der Mann, der morden wird und morden muß, sein Mittagessen ein. Er zahlt und geht wieder auf die Straße. Mit plump-brutalen, abschätzenden Blicken sieht er den Frauen nach. Er mordet nicht jede. Er sucht ganz bestimmte Opfer, ganz bestimmte Typen. Es wird noch lange dauern, bis die Polizei darauf kommt. Aus jungen Frauen macht er sich nichts. Eleganten geht er aus dem Weg. Vor Frauen, die sich parfümieren, läuft er davon. Parfümgeruch kann er nicht vertragen. Dagegen bleibt er jedesmal stehen, wenn er ältere, kräftige Frauen sieht.
    Er bleibt stehen wie jetzt zum Beispiel: bei der Frau, die durch die Drehtür aus einem Warenhaus gespült wird. Er bemerkt sie sofort und läuft hinter ihr her. Ganz knapp. Sie

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