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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ah, den zum Narren zu halten, wäre so einfach gewesen, wie einem Baby das Fläschchen zu stehlen. Hatte er dem Jungen von der Klemme erzählt, in der er einmal gesteckt hatte? Wenn man bedachte, wie ihn der Junge neuerdings ansah auf eine argwöhnische Weise , hatte Delevan es ihm wahrscheinlich gesagt, befand Pop. Und was hatte der Vater dem Sohn noch gesagt? Mal sehen. Läßt er zu, daß du ihn Pop nennst? Das bedeutet wahrscheinlich, daß er dich über’n Tisch ziehen will.
    Dies als Anfang. Er ist eine elende Schlange, die am Boden kriecht. Das als zweites. Und dann natürlich die Krönung von alem: Laß mich mit ihm reden, Junge. Ich kenne ihn besser als du. Laß mich einfach alles regeln. Männer wie Delevan waren für Pop Merrill, was für andere ein hübscher Teller mit Brathähnchen war zart, köstlich, saftig. Damals war Delevan selbst kaum mehr als ein Junge gewesen, und er würde nie ganz begreifen, daß nicht Pop ihm an den Karren gefahren war, sondern er selbst ganz allein. Der Mann hätte zu seiner Frau gehen können, und die hätte ihre alte Erbtante angezapft, deren knochiger kleiner Arsch praktisch mit Hundertdollarscheinen zugeklebt war, und Delevan hätte wahrscheinlich eine Zeitlang in der Hundehütte schlafen müssen, aber sie hätte ihn schon rechtzeitig wieder reingelassen. Aber er hatte es nicht nur nicht so gesehen; er hatte es überhaupt nicht gesehen. Und heute glaubte er völlig grundlos, er wüßte alles, was es über Reginald Marion Merrill zu wissen gab.
    Und genau so gefiel es Pop.
    Er hätte die beiden Kameras vor den Augen des Mannes austauschen können, und der hätte nicht das geringste gemerkt so sicher war er, daß er den alten Pop durchschaut hatte.
    Aber so war es besser.
    Man bat die Dame Fortuna nicht um eine Verabredung; sie hatte so eine Art, Männer immer dann zu versetzen, wenn sie sie am dringendsten brauchten. Aber wenn sie aus eigenem Antrieb kam
    nun, dann war es klug, stehen und liegen zu lassen, was man gerade machte, sie auszuführen und Speise und Trank zu kredenzen, und zwar so üppig man konnte. Sie war ein Flittchen, das zu einem hielt, wenn man sie richtig behandelte.
    Daher ging er rasch zur Werkbank, bückte sich und holte die Polaroid mit der kaputten Linse darunter hervor. Er stellte sie auf den Tisch, holte einen Schlüsselring aus der Tasche (mit einem kurzen Blick über die Schulter, ob nicht doch einer beschlossen hatte, zu ihm runterzukommen) und wählte den Schlüssel aus, mit dem man das Fach aufschließen konnte, welches die gesamte linke Seite der Werkbank bildete. In dieser tiefen Schublade befanden sich ein paar Krügerrands aus Gold, ein Briefmarkenalbum, in dem die billigste Marke laut der neuesten Ausgabe des Scoti Briefmarkenkatalogs sechshundert Dollar wert war, eine Münzsammlung, schätzungsweise neunzehntausend Dollar wert, zwei Dutzend Hochglanzfotos einer Frau mit verquollenen Augen, die Geschlechtsverkehr mit einem Shetlandpony hatte, sowie ein Batzen Bargeld, der sich auf etwas über zweitausend Dollar belief.
    Das Bargeld, das er in verschiedenen Blechdosen aufbewahrte, war Pops Verleihgeld. John Delevan hätte die Scheine gekannt. Es handelte sich ausnahmslos um zerknitterte Zehner.
    Pop verstaute Kevins Sun 660 in dieser Schublade, schloß sie ab und steckte den Schlüsselring wieder ein. Dann schubste er die Kamera mit der gesprungenen Linse (noch einmal) von der Werkbank und schrie: »O Scheiße! Himmel, Arsch und Zwirn! Verflucht k So laut, daß sie es hören mußten.
    Dann verlieh er seinem Gesicht den entsprechenden Ausdruck von Zorn und Zerknirschung und wartete, bis sie nachsehen würden, was passiert war.
    »Pop?« rief Kevin. »Mr. Merrill? Alles in Ordnung?«
    »Jaha«, sagte er. »Außer meinem verdammten Stolz hab ich nichts verletzt. Ich schätze, diese Kamera bringt einfach Pech. Ich habe mich gebückt, um die Schublade aufzumachen, will ich damit sagen, und hab das verfluchte Ding dabei einfach auf den Boden geschubst. Nur glaub ich, diesmal ist sie nicht so glimpflich davongekommen. Weiß nicht, ob ich sagen soll, daß es mir leid tut, oder nicht. Ich meine, du wolltest eh «
    Er hielt Kevi n die Kamera unterwürfig hin; dieser nahm sie und betrachtete die gesprungene Linse und das abgesplitterte Plastik.
    »Nein, macht nichts«, sagte Kevin und drehte die Kamera in den Händen herum aber nicht mehr auf die zimperliche, ängstliche Weise wie zuvo r: so, als wäre sie in Wirklichkeit nicht aus Plastik und Glas,

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