Nachts
Rücken eines Wals.
»Noch einmal«, sagte Mr. Delevan. »Diesmal Bild für Bild. Können Sie das?«
»Jaha«, sagte Pop. »Die verdammte Maschine macht alles, außer der Wäsche.«
Nun also ein Bild nach dem anderen. Jetzt war der Hund nicht mehr wie ein Roboter, jedenfalls nicht exakt, sondern wie eine unheimliche Uhr, die zu Pops anderen Exemplaren unten gehört hätte. Ruck. Ruck. Ruck. Der Kopf drehte sich. Gleich würde dieses gnadenlose, nicht völlig idiotische Auge sie wieder ansehen.
»Was ist das?« fragte Mr. Delevan.
»Was ist was?« fragte Pop, als wüßte er nicht, daß es genau das war, worüber der Junge gestern sprechen wollte, das Ding, das, da war Pop sicher, seinen Entschluß gefestigt hatte, die Kamera ein für allemal zu zerstören.
»Unter dem Hals«, sagte Mr. Delevan und deutete. »Er hat kein Halsband und keine Hundemarke um, aber etwas an einer Schnur oder einem dünnen Seil um den Hals.
»Weiß nicht«, sagte Pop ungerührt. »Vielleicht weiß es Ihr Junge.
Die jungen Leute haben bessere Augen als wir Veteranen.«
Mr. Delevan drehte sich zu Kevin um und sah ihn an. »Kannst du es erkennen?«
»Ich « Er verstummte. »Es ist echt winzig.«
Er mußte wieder daran denken, was sein Vater gesagt hatte, als sie das Haus verließen. Wenn sie dich nie fragt, mußt du es ihr nie sagen So machen wir das in der Welt der Erwachsenen. Eben hatte er Kevin gefragt, ob er erkennen konnte, was der Hund unter dem Hals hatte. Kevin hatte diese Frage nicht beantwortet; er hatte etwas ganz anderes gesagt. Es ist echt winzig. Was es auch war. Die Tatsache, daß er trotzdem wußte, worum es sich handelte
und
Wie hatte sein Vater es genannt? Am Rand einer Lüge dahintaumeln?
Aber er konnte es eigentlich nicht sehen. Nicht richtig. Trotzdem wußte er es. Das Auge deutete nur an; das Herz begriff. Und sein Herz begriff, wenn er recht hatte, dann mußte diese Kamera vernichtet werden. Mußte.
In diesem Augenblick hatte Pop Merrill plötzlich eine Erleuchtung. Er stand auf und schaltete den Fernseher aus. »Ich hab die Bilder unten«, sagte er. »Die hab ich mit der Videokassette zurückgebracht. Ich hab das Ding selbst gesehen und es mit der Lupe untersucht, bin aber immer noch nicht sicher sieht aber irgendwie vertraut aus, der Teufel soll e s holen. Ich will nur schnell das Bild und meine Lupe holen.«
»Wir können mit Ihnen runtergehen«, sagte Kevin, was Pop um nichts auf der Welt wollte, doch da schaltete sich Delevan ein, Gott segne ihn, und sagte, er würde sich das Band vielleicht noch einmal ansehen, wenn sie die letzten Bilder mit der Lupe untersucht hatten.
»Dauert nur einen Augenblick«, sagte Pop und verschwand so munter wie ein Vogel, der auf einem Apfelbaum von Ast zu Ast springt, ehe einer von ihnen noch Einwände erheben konnte, so es ihm je in den Sinn gekommen wäre.
Kevin nicht. Der Gedanke hatte sich endlich monströs in seinen Verstand gedrängt, und ob es Kevin gefiel oder nicht, er mußte dar
über nachdenken.
Es war kein Einfall, sondern eine simple Gewißheit. Sie hatte mit dieser seltsamen Zweidimensionalität zu tun, die Polaroids immer eigen ist; sie zeigten stets nur zwei Dimensionen, was natürlich bei allen Fotos so war, aber Fotos anderer Kameras schienen wenigstens noch eine dritte Dimension anzudeuten, selbst welche, die mit einer einfachen Kodak 110 aufgenommen worden waren.
Die Gegenstände auf seinen Fotos, die er nie durch den Bildsucher der Sun gesehen hatte, waren genauso: flach, nüchtern, zweidimensional.
Bis auf den Hund.
Der Hund war nicht flach. Der Hund war nicht bedeutungslos, etwas, das man erkennen konnte, das aber keinerlei emotionale Wirkung hatte. Der Hund schien nicht nur drei Dimensionen anzudeuten, sondern sie wahrhaftig zu besitzen, so wie ein Hologramm sie wahrhaft zu besitzen scheint, oder einer dieser Filme in 30, wo man spezielle Brillen tragen mußte, um zwei Farben zur Deckung zu bringen.
Es ist kein Polaroidhund, dachte Kevin, und er gehört nicht in die Welt, von der Polaroidkameras Aufnahmen machen. Das ist verrückt, ich weiß, aber ich weiß auch, daß es so ist. Und was bedeutet das? Warum macht meine Kamera immer wieder Bilder davon und was für ein Polaroidmann oder was für eine Polaroidfrau macht Aufnahmen davon? Sieht er oder sie ihn überhaupt? Wenn es ein dreidimensionaler Hund in einer zweidimensionalen Welt ist, vielleicht sehen sie ihn dann nicht können ihn gar nicht sehen. Sie sagen, für uns ist die Zeit die
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