Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
widersetzte sich dem Impuls, über die Schulter zu schauen, ob ihm jemand nachgeschlichen kam. Zum Beispiel ein Mann mit einer Marke in der Hand. Er überlegte sich, daß er wahrscheinlich eine Schlaftablette brauchte, aber da er keine hatte nicht einmal eines der rezeptfreien Mittel wie Sominex , würde er eben improvisieren müssen. Er schüttete Milch in einen Topf, machte sie heiß, schenkte sie in eine Kaffeetasse und fügte einen kräftigen Schuß Weinbrand hinzu. Auch das hatte er im Kino gesehen. Er kostete, verzog das Gesicht, schüttete das garstige Getränk fast in den Ausguß, sah dann aber auf die Uhr an der Mikrowelle. Viertel vor ein Uhr morgens. Es war noch lange bis zur Dämmerung, zuviel Zeit, sich über Ardelia Lortz und den Bibliothekspolizisten Gedanken zu machen, die mit zwischen die Zähne geklemmten Messern die Treppe heraufgeschlichen kommen mochten.
    Oder mit Pfeilen, dachte er. Mit langen, schwarzen Pfeilen. Ardelia und der Bibliothekspolizist kommen die Treppe heraufgeschlichen und haben lange, schwarze Pfeile zwischen die Zähne geklemmt. Wie sieht diese Vorstellung aus, Freunde und Nachbarn ?
    Pfeile?
    Warum Pfeile?
    Er wollte nicht darüber nachdenken. Er hatte die Gedanken satt, die wie gräßliche, stinkende Frisbees aus der bislang unvermuteten Dunkelheit in seinem Inneren angezischt kamen.
    Ich will nicht darüber nachdenken. Ich werde nicht darüber nachdenken.
    Er trank seine Weinbrandmilch aus und ging wieder ins Bett.

    4

    Er ließ das Nachttischlämpchen an, was ihn etwas beruhigte. Er fing langsam an zu glauben, daß er irgendwann einmal vor dem Hitzetod des Universums einschlafen würde. Er zog die Bettdecke bis zum Kinn, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah zur Decke.
    Ein TEIL muß wirklich passiert sein, dachte er. Es kann nicht ALLES

    eine Halluzination gewesen sein es sei denn, dies gehört auch dazu und ich bin wirklich in einer Gummizelle drüben in Cedar Rapids, habe eine Zwangsjacke an und stelle mir vor, daß ich hier in meinem eigenen Bett liege.
    Er hatte seine Rede gehalten. Er hatte die Witze aus dem Speaker’s Companion und Spencer Michael Frees Gedicht aus Best Loved Poems of the American People benützt Und da er keines der beiden Bücher in seiner eigenen bescheidenen Sammlung hatte, mußte er sie aus der Bibliothek geholt haben. Naomi hatte Ardelia Lortz gekannt jedenfalls ihren Namen , und Naomis Mutter ebenfalls. Und wie! Es war, als hätte er einen Kracher unt er ihrem Rollstuhl hochgehen lassen.
    Ich kann mich umhören, dachte er. Wenn Mrs. Higgins den Namen kennt, werden ihn auch andere kennen. Keine Studenten vom Chapelton, vielleicht, aber Leute, die schon lange in Junction City sind. Vielleicht Frank Stephens. Oder Dirty Dave
    An dieser Stelle döste Sam schließlich ein. Er überquerte die fast nahtlose Grenze zwischen Wachsein und Schlafen, ohne es zu be
    merken; seine Gedanken hörten nicht auf, sondern krümmten sich vielmehr zu noch seltsameren und phantastischeren Gebilden. Die Gebilde wurden zu einem Traum. Und der Traum wurde zum Alp
    traum.
    Er war wieder in Angle Street, die drei Männer saßen auf der Ve
    randa und mühten sich mit ihren Plakaten ab. Er fragte Dirty Dave, was er machte.
    Och, nur die Zeit totschlagen, sagte Dave und drehte dann schüchtern das Plakat herum, damit Sam es sehen konnte.
    Es war ein Bild vom Einfaltspinsel. Dieser war über offenem Feuer auf einem Pfahl aufgespießt. Mit einer Hand umklammerte er einen großen Klumpen schmelzender r oter Lakritze. Seine Kleidung brannte, aber er lebte noch.
    Er schrie.
    Über diesem gräßlichen Bild standen die Worte: KINDERESSEN IN DEN BÜSCHEN DER ÖFFENTLICHEN
    BIBLIOTHEK
    ZUGUNSTEN DES FONDS DER BIBLIOTHEKSPOLIZEI
    MITTERNACHT BIS ZWEI UHR
    ZAHLREICHES ERSCHEINEN ERWÜNSCHT
    »DAS SIND LECKERSCHMECKER!«
    Dave, das ist furchtbar, sagte Sam in dem Traum.
    Überhaupt nicht, entgegnete Dirty Dave. Die Kinder nennen ihn Einfaltspinsel. Sie essen ihn gern. Ich finde das ganz normal, Sie nicht?
    Seht doch! schrie Rudolph. Seht doch, es ist Sarah!
    Sam sah auf und erblickte Naomi, die über das müllübersäte, unkrautbewachsene Grundstück zwischen Angle Street und der Wiederaufbereitungsanlage ging. Sie ging ganz langsam, weil sie einen Einkaufswagen voll mit Ausgaben von Speaker’s Companion und Best Loved Poems ofthe American People schob. Hinter ihr ging die Sonne mit einem düsteren Ofenlodern roten Lichts unter, und auf den Gleisen donnerte langsam ein

Weitere Kostenlose Bücher