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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Wie lange sind Sie schon bei den AA, Naomi?«
    »Neun Jahre«, sagte Naomi gleichmütig. »Und es ist sechs Jahre her, seit ich zuletzt etwas getrunken habe. Aber ich bin seit Ewigkeiten Alkoholikerin. Trinker werden nicht gemacht, Sam. Sie werden geboren.«
    »Oh«, sagte er lasch. Und dann: »War sie in dem Programm? Ardelia Lortz?«
    »Großer Gott, nein aber das heißt nicht, daß es bei den AA nicht Leute gibt, die sich an sie erinnern. Ich glaube, sie ist 1956 oder ‘57
    in Junction City aufgekreuzt. Sie hat für Mr. Lavin in der öffentlichen Bibliothek gearbeitet. Ein Jahr später ist er ganz überraschend gestorben Herzversagen oder Schlaganfall, glaube ich , und die Stadt gab dieser Lortz seine Stelle. Soweit ich gehört habe, hat sie es ziemlich gut gemacht, aber wenn man bedenkt, was passiert ist, war sie wohl am besten darin, die Leute zum Narren zu halten.«
    »Was hat sie getan, Naomi?«
    »Sie hat zwei Kinder und dann sich selbst umgebracht«, sagte Naomi nüchtern. »Im Sommer 1960. Eine Suchaktion wurde wegen der Kinder abgehalten. Niemand hat daran gedacht, in der Bibliothek nach ihnen zu sehen, weil die an diesem Tag angeblich geschlossen hatte. Sie wurden am nächsten Tag gefunden. Es sind Oberlichter im Dach «
    »Ich weiß.«
    » aber heutzutage kann man sie nur von außen sehen, weil sie die Bibliothek innen umgebaut haben. Haben die Decke gesenkt, um Wärme zu stauen oder so. Wie dem auch sei, diese Oberlichter hatten Messinghaken. Man zog mit langen Stäben an diesen Haken, um die Oberlichter aufzumachen und frische Luft hereinzulassen, denke ich. Sie hat ein Seil an einen der Haken geknüpft
    dazu muß sie eine der großen Rollenleitern an den Regalen benützt haben und sich daran aufgehängt. Nachdem sie die Kinder umgebracht hatte.«
    »Ich verstehe.« Sams Stimme war ruhig, aber sein Herz schlug langsam und sehr fest. »Und wie hat sie wie hat sie die Kinder umgebracht?«
    »Ich weiß nicht. Das hat nie jemand gesagt, und ich habe nie gefragt. Ich glaube, es muß gräßlich gewesen sein.«
    »Ja, das glaube ich auch.«
    »Und jetzt erzählen Sie mir, was Ihnen passiert ist.«
    »Zuerst möchte ich herausfinden, ob Dave im Asyl ist.«
    Naomi verkrampfte sich sofort. »Ich sehe nach, ob Dave im Asyl ist«, sagte sie. »Sie werden schön im Auto s itzen bleiben. Sie tun mir leid, Sam, und es tut mir leid, daß ich gestern abend zu den falschen Schlußfolgerungen gelangt bin. Aber Sie werden Dave nicht noch mehr beunruhigen. Dafür werde ich sorgen.«
    »Naomi, er hat etwas damit zu tun.«
    »Das ist unmöglich«, sagte sie mit spröder DamitistdieDiskussionabgeschlossenStimme.
    »Verdammt, die ganze Sache ist unmöglich.«
    Sie näherten sich jetzt Angle Street. Vor ihnen ratterte ein Lieferwagen zur Wiederaufbereitungsanlage; eine Pritsche war vollgeladen mit Kartons, die alte Glasflaschen und Dosen enthielten.
    »Ich glaube, Sie haben nicht begriffen, was ich Ihnen gesagt habe«, sagte sie. »Was mich nicht überrascht; das ist bei Erdenmenschen selten der Fall. Also hören Sie gut zu, Sam. Ich werde mich klar und einfach ausdrücken. Wenn Dave trinkt, stirbt Dave. Haben Sie das kapiert? Ist es durchgedrungen?«
    Sie warf Sam wieder einen Blick zu. Dieser war so wütend, daß er förmlich rauchte, und selbst in seinem eigenen abgrundtiefen Elend wurde Sam eines klar: Bisher, auch die beiden Male, als er mit ihr ausgegangen war, hatte er Naomi hübsch gefunden. Jetzt sah er, daß sie wunderschön war.
    »Was meinen Sie mit Erdenmenschen?« fragte er sie.
    »Menschen, die keine Probleme mit Fusel oder Tabletten oder Dope oder Hustenmedizin oder so etwas haben, die den Kopf durcheinanderbringen«, spie sie fast heraus. »Menschen, die es sich leisten können, zu moralisieren und zu urteilen.«
    Vor ihnen bog der Lieferwagen auf den langen, unebenen Weg zur Wiederaufbereitungsanlage ab. Vor ihnen lag Angle Street.
    Sam konnte etwas vor der Veranda parken sehen, aber es war kein Auto. Es war Difty Daves Einkaufswagen.
    »Warten Sie«, sagte er.
    Naomi hielt, sah ihn aber nicht an. Sie sah starr geradeaus durch die Windschutzscheibe. Ihr Kiefer zuckte. Ihre Wangen waren gerötet.
    »Sie sind um ihn besorgt«, sagte er, »und das freut mich. Liegt Ihnen auch etwas an mir, Sarah? Obwohl ich ein Erdenmensch bin?«
    »Sie haben kein Recht, mich Sarah zu nennen. Ich schon, weil es mein zweiter Vorname ist ich wurde als Naomi Sarah Higgins getauft. Und sie dürfen es, weil sie mir in gewisser

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