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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aber dies hier war wieder etwas ganz anderes. Und doch leuchteten Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit wie eine Lampe aus Daves Gesicht, und Sam dachte: Wenn erlügt, weiß er es selbst nicht.
    »Dave, willst du damit sagen, daß Ardelia Lortz seine Tränen getrunken hat?« fragte Naomi zögernd.
    »Ja und nein. Sie hat seine speziellen Tränen getrunken. Sie hatte förmlich das ganze Gesicht über ihn gestülpt, es schlug wie ein Herz und sah aus wie ein Gesicht, das man als Halloweenmaske auf eine Einkaufstüte malt.
    Was aus Willys Augenwinkeln kam, das war zäh und rosa, wie blutiger Rotz oder fast verwestes rohes Fleisch. Das hat sie mit diesem schlürfenden Geräusch eingesaugt. Sie hat seine Angst getrunken. Irgendwie hatte sie die Angst des Jungen materialisiert und so groß werden lassen, daß sie in Form dieser gräßlichen Tränen herauskommen oder ihn umbringen mußte.«
    »Sie wollen damit sagen, Ardelia war so eine Art Vampir, richtig?« fragte Sam.
    Dave sah erleichtert aus. »Ja. Ganz recht. Wenn ich seither an diesen Tag gedacht habe wenn ich gewagt habe, daran zu denken , habe ich mir überlegt, daß sie genau das war. Die alten Geschichten von Vampiren, die die Zähne in den Hals des Opfers schlagen und sein Blut trinken, stimmen gar nicht. Sie liegen nicht sehr daneben, aber in solchen Sachen ist knapp vorbei eben auch daneben. Sie trinken, aber nicht aus dem Hals; sie werden dick und fett von dem, was sie trinken, aber es ist nicht Blut. Vielleicht ist die Substanz, die sie sich holen, noch röter, noch blutiger, wenn die Opfer Erwachsene sind. Vielleicht hat sie das von Mr. Lavin genommen. Ich bin überzeugt davon. Aber Blut ist es nicht.
    Es ist Angst.«

    5

    »Ich weiß nicht, wie lange ich dagestanden und sie beobachtet habe, aber es kann nicht lang gewesen sein länger als fünf Minuten war sie selten weg. Nach einer Weile wurde die Substanz, die aus Willys Augen kam, blasser und blasser und immer weniger. Ich konnte es sehen ihr wißt ja, dieses Ding, das sie hatte «
    »Rüssel«, sagte Naomi leise. »Es muß eine Art Rüssel gewesen sein.«
    »Nun gut. Ich konnte sehen, wie sie dieses RüsselDing weiter und weiter ausstreckte, damit ihr nichts entging, damit sie auch das letzte Restchen bekam, aber ich wußte, sie war fast fertig. Und dann würden sie aufwachen und sie würde mich sehen. Und in dem Fall, dachte ich, würde sie mich höchstwahrscheinlich umbringen.
    Ich wich langsam, Schritt für Schritt, zurück. Ich glaubte nicht, daß ich es schaffen würde, aber schließlich stieß ich mit dem Hinterteil an die Toilettentür. Als das geschah, hätte ich beinahe laut aufgeschrien, weil ich dachte, sie wäre irgendwie hinter mich gelangt. Ich war ganz sicher, obwohl ich sie vor mir knien sehen konnte.
    Ich schlug die Hand vor den Mund, um den Schrei zu unterdrükken, und zwängte mich durch die Tür. Ich stand da, während sie mit ihrem pneumatischen Scharnier zuschwang. Es schien ewig zu dauern. Als sie zu war, ging ich Richtung Haupttür. Ich war halb wahnsinnig; ich wollte nur raus und nie mehr zurückkommen. Ich wollte einfach nur weglaufen.
    Ich kam nach unten ins Foyer, wo sie das Schild aufgestellt hatte, das Sie gesehen haben, Sam auf dem nur das Wort RUHE!
    stand , und dann kam ich wieder zur Besinnung. Wenn sie Willy in die Kinderbibliothek zurückbrachte und sah, daß ich fort war, würde sie wissen, daß ich sie gesehen hatte. Sie würde mich verfolgen, sie würde mich erwischen, und sie würde sich dabei nicht einmal besonders anstrengen müssen. Ich dachte an den Tag im Mais, wie sie immer um mich herumgelaufen und dabei nicht einmal ins Schwitzen gekommen war.
    Also machte ich kehrt und begab mich statt dessen wieder zu meinem Stuhl in der Kinderbibliothek. Es war der schwerste Gang meines Lebens, aber irgendwie schaffte ich es. Und ich hatte den Arsch noch keine zwei Sekunden auf dem Stuhl, da hörte ich sie zurückkommen. Und selbstverständlich lächelte Willy und strahlte und war ganz Friede, Freude, Eierkuchen, und sie auch. Ardelia sah aus, als könnte sie drei Runden mit Carmen Basilio aufnehmen und ihm eine gehörige Tracht Prügel verabreichen.
    >Alle braven Kinder heben den Kopf !< rief sie und klatschte in die Hände. Alle hoben die Köpfe und sahen sie an. >Willy geht es jetzt viel besser, und er möchte, daß ich die Geschichte zu Ende erzähle.
    Oder nicht, Willy?<
    >Ja, Ma’am, sagte Willy. Sie gab ihm einen Kuß, worauf er zu seinem Platz zurücklief. Sie fuhr

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