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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mit dem Märchen fort. Ich saß da und hörte zu. Und als die Märchenstunde vorbei war, fing ich an zu trinken. Und von da an habe ich bis zum Ende eigentlich nie mehr richtig damit aufgehört.«

    6

    »Wie ginges denn zu Ende?« fragte Sam. »Was wissen Sie darüber?«
    »Nicht soviel, wie ich wissen würde, wenn ich nicht die ganze Zeit stockbesoffen gewesen wäre, aber mehr als ich wissen möchte.
    Was den letzten Teil anbelangt ich bin nicht einmal sicher, wie lange der gedauert hat. Etwa vier Monate, glaube ich, aber es hätten auch sechs oder acht sein können. Zu dem Zeitpunkt bekam ich nicht mal mehr richtig was von den Jahreszeiten mit. Wenn ein Trinker endgültig am Abstürzen ist, Sam, dann nimmt er nur noch das Wetter in einer Flasche richtig zur Kenntnis. Ich weiß aber zwei Dinge, und eigentlich kommt es nur auf sie an. Zunächst einmal kam ihr doch jemand auf die Schliche. Und es wurde Zeit für sie, wieder schlafen zu gehen. Sich zu verwandeln. Das war das andere.
    Ich kann mich an eine Nacht in ihrem Haus erinnern sie kam nie in meins, nicht einmal , da sagte sie zu mir: >Ich werde müde, Dave. Ich bin jetzt fast die ganze Zeit müde. Bald wird es Zeit für einen langen Schlaf. Wenn die Zeit gekommen ist, sollst du mit mir schlafen gehen. Weißt du, ich bin ganz vernarrt in dich.< Ich war natürlich betrunken, aber bei diesen Worten bekam ich trotzdem eine Gänsehaut. Ich dachte, ich wüßte, wovon sie sprach, aber als ich sie danach fragte, lachte sie nur.
    >Nein, nicht das<, sagte sie und warf mir einen verächtlichen, amüsierten Blick zu. >Ich spreche vom Schlaf, nicht vom Tod. Aber du mußt dich mit mir ernähren.<
    Das machte mich schlagartig nüchtern. Sie glaubte nicht, daß ich wußte, wovon.sie sprach, aber ich wußte es. Ich hatte es gesehen.
    Fing sie an mir fragen nach den Kindern zustellen. Welc he ich nicht leiden konnte, welche ich für heimtückisch hielt, welche zu laut waren, welche am ungezogensten. »Das sind böse Kinder, die es nicht verdienen zu leben<, sagte sie. »Sie sind unhöflich, zerstörerisch, sie bringen ihre Bücher mit zerrissenen Seiten zurück. Was meinst du denn, welche den Tod verdient haben, Davey?< Da wußte ich, ich mußte weg von ihr, und wenn Selbstmord der einzige Weg war, würde ich es tun müssen. Wißt ihr, mit ihr passierte etwas. Ihr Haar wurde stumpf, und ihre Haut, die immer makellos gewesen war, bekam Flecken. Und da war noch etwas ich konnte das Ding, dieses Ding, in das sich ihr Mund verwandelte, jetzt die ganze Zeit sehen, dicht unter der Oberfläche ihrer Haut.
    Aber es sah allmählich ganz runzlig und schlapp aus, und es waren Fäden wie Spinnweben darauf.
    Eines Nachts, als wir im Bett lagen, sah sie, wie ich ihr Haar betrachtete, und sagte: >Du bemerkst die Veränderungen an mir, Davey, oder nicht?< Sie tätschelte mein Gesicht. >Das ist nicht schlimm; es ist ganz natürlich. So ist es immer, wenn ich mich darauf vorbereite, wieder schlafen zu gehen. Ich muß bald schlafen gehen, und wenn du mit mir kommen willst, mußt du bald eins der Kinder nehmen. Oder zwei. Oder drei. Je mehr, desto besser, je oller, je doller!< Sie lachte auf ihre irre Weise, und als sie mich ansah, waren ihre Augen wieder rot geworden. >Ich habe jedenfalls nicht die Absicht, dich zurückzulassen. Abgesehen von allem anderen, wäre es nicht sicher. Das ist dir doch auch klar, oder nicht?< Ich bejahte.
    >Wenn du also nicht sterben willst, Davey, muß es bald passieren. Sehr bald. Und wenn du dich dagegen entschieden hast, solltest du es mir jetzt gleich sagen. Wir können unsere gemeinsame Zeit heute nacht schmerzlos und angenehm beenden.< Sie beugte sich über mich, und ich konnte ihren Atem riechen. Er roch wie verdorbenes Hundefutter, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich je den Mund geküßt hatte, aus dem dieser Geruch kam, ob betrunken oder nüchtern. Aber ein Teil in mir ein kleiner Teil muß trotz allem leben gewollt haben; denn ich sagte ihr, ich wollte mit ihr kommen, brauchte aber noch ein wenig Zeit, bis ich bereit war. Um mich geistig darauf vorzubreiten.
    >Um zu trinken, meinst du<, sagte sie. >Du solltest auf die Knie fallen und deinen kläglichen, unglücklichen Gestirnen dafür danken, daß du mich getroffen hast, Dave Duncan.

    Wenn ich nicht wäre, würdest du in einem, spätestens zwei Jahren tot in der Gosse liegen. Mit mir kannst du fast ewig leben.<
    Sie stülpte den Mund ganz kurz nach außen, bis er fast meine Wange berührte. Und

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