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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anders als alles, was je ein Mensch gesehen hat. Vielleicht ist es gut, daß der Planet eine Wolkendecke hat. Er wirkt wie ein Schädel, von dem alles Fleisch abgenagt wurde - besser kann ich es nicht beschreiben.
    Auf dem Rückweg erfuhren wir, daß der Senat die Zuweisungen für die Weltraumerforschung halbiert hatte. »Jetzt sind wir nur noch mit Wettersatelliten im Geschäft«, sagte Cory, oder so ähnlich. Aber ich war eigentlich ganz froh. Gehören wir wirklich dort draußen hin?
    Zwölf Tage später war Cory tot und ich lebenslang ein Krüppel. Der ganze Ärger fing nach dem Wiedereintritt an. Der Fallschirm funktionierte nicht ordnungsgemäß. Eine der kleinen Ironien des Lebens! Wir waren über einen Monat im Raum gewesen. Wir waren weiter gelangt als je ein Mensch vor uns, und alles mußte so enden, weil irgendein Idiot seine Kaffeepause nicht abwarten konnte und deshalb ein paar Leinen durcheinanderbrachte.
    Eine verdammt harte Landung. Einer der Hubschrauberpiloten sagte, es habe ausgesehen, als fiele ein Riesenbaby vom Himmel und zöge die Plazenta hinter sich her. Beim Aufschlag verlor ich das Bewußtsein.
    Ich kam erst wieder zu mir, als sie mich über das Deck der Portland trugen. Der rote Teppich, auf dem wir hätten gehen sollen, war noch gar nicht ausgerollt. Ich blutete. Sie trugen mich über einen roten Teppich, der nicht halb so rot war wie ich, ins Lazarett …
    »Zwei Jahre blieb ich im Bethesda-Hospital. Ich bekam eine Tapferkeitsmedaille, einen Haufen Geld und diesen Rollstuhl. Ein Jahr darauf kam ich hierher. Ich beobachte gern die Raketenstarts.«
    »Ich weiß«, sagte Richard und schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Zeig mir deine Hände.«
    »Nein!« Meine Antwort kam schnell und scharf. »Sie dürfen sie nicht sehen. Das habe ich dir doch gesagt.«
    »Es ist fünf Jahre her«, sagte Richard. »Warum denn immer noch, Arthur? Kannst du mir das erklären?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es doch nicht! Was es auch ist, vielleicht wirkt es lange nach. Und wer will behaupten, daß ich es dort draußen gekriegt habe? Was es auch ist, es kann mich auch in Fort Lauderdale erwischt haben. Oder vielleicht sogar hier auf dieser Veranda. Weiß ich das?«
    Richard seufzte und schaute auf das Wasser hinaus, das die sinkende Sonne jetzt in rötliches Licht tauchte. »Es fällt mir schwer, Arthur, aber ich möchte nicht gerne glauben, daß du im Begriff bist, den Verstand zu verlieren.«
    »Wenn ich unbedingt muß, zeige ich dir meine Hände«, sagte ich. Der Satz kostete mich einige Anstrengung. »Aber nur, wenn ich muß.«
    Richard stand auf und nahm seinen Stock. Er sah alt und gebrechlich aus. »Ich hole den Buggy. Wir werden nach dem Jungen suchen.«
    »Danke, Richard.«
    Er ging auf dem ausgefahrenen Sandweg davon, der zu seiner Hütte führte. Hinter der großen Düne, die sich an Key Caroline entlangzog, war gerade noch das Dach zu sehen. Über dem Wasser zum Kap hin hatte der Himmel eine häßliche violette Farbe angenommen, und in der Ferne hörte ich es leise donnern.
    Ich wußte nicht, wie der Junge hieß, aber ich sah ihn hin und wieder, wenn er mit einem Sieb unter dem Arm den Strand entlangging. Er war von der Sonne fast schwarzgebrannt und trug immer nur alte abgeschnittene Jeans. Am anderen Ende von Key Caroline liegt ein öffentlicher Badestrand, und ein fleißiger junger Mann kann am Tag gut und gern fünf Dollar zusammenbekommen, wenn er nur geduldig den Sand nach Münzen durchsiebt. Gelegentlich winkte ich ihm zu, und er winkte zurück. Eine unverbindliche Bekanntschaft. Wir waren Fremde und doch Brüder, denn wir wohnten hier das ganze Jahr über und hatten mit den Touristen nichts zu schaffen, die viel Geld ausgaben, Cadillacs fuhren und auch sonst großspurig auftraten. Ich nahm an, daß er in einem der Häuser wohnte, die in etwa achthundert Metern Entfernung um das kleine Postamt herumstanden.
    Als er an jenem Abend vorbeikam, hatte ich schon eine Stunde reglos auf der Veranda gesessen und die Szenerie beobachtet. Vorher hatte ich die Bandagen abgenommen. Das Jucken war unerträglich geworden. Ein wenig besser wurde es nur, wenn meine Hände ihre Augen benutzen konnten.
    Ein unbeschreibliches Gefühl -ich kam. mir vor wie ein Portal, das ein wenig offenstand und durch das meine Hände eine Welt erblickten, die sie haßten und fürchteten. Aber das Schlimmste war, daß ich auch selbst irgendwie sehen konnte.
    Stellen Sie sich vor, Ihr Gehirn stecke im Kopf einer

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