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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Stubenfliege, und diese Stubenfliege schaute Sie aus tausend Augen an. Dann würden Sie vielleicht begreifen, warum ich meine Hände bandagierte, selbst wenn niemand sie sehen konnte.
    In Miami fing es an. Dort hatte ich mit einem Mann namens Cresswell zu tun. Der Mann ist hoher Marineoffizier und muß mich einmal im Jahr überprüfen. Schließlich bin ich im Zusammenhang mit der Raumfahrt Geheimnisträger. Was erwartet der Kerl? Verschlagene Blicke? Kainszeichen auf der Stirn? Das mag der Himmel wissen. Jedenfalls ist meine Pension so hoch, daß es mir fast peinlich ist.
    Cresswell und ich saßen auf dem Balkon seines Hotelzimmers und tranken. Wir diskutierten das Raumfahrtprogramm der Vereinigten Staaten. Es war etwa Viertel nach drei. Meine Finger begannen zu jucken. Nicht etwa allmählich. Nein, es war, als würde Strom eingeschaltet. Das sagte ich Cresswell.
    »Sie haben auf dieser skrofulösen kleinen Insel wohl giftige Blätter angefaßt«, sagte er grinsend.
    »Das einzige Laubwerk auf Key Caroline ist ein lächerliches Fächerpalmengestrüpp«, sagte ich. »Vielleicht kommt das Jucken nur alle sieben Jahre.« Ich betrachtete meine Hände. Sie waren völlig normal. Aber sie juckten.
    Später unterschrieb ich dann wieder das gleiche Formular (»Ich versichere hiermit an Eides Statt, daß ich weder Informationen erhalten noch weitergegeben habe, die geeignet wären …«) und fuhr nach Hause. Ich habe einen alten Ford mit Handgas. Auch die Bremsen betätige ich mit der Hand. Ich hänge an dem Schlitten. Er gibt mir das Gefühl, nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Der Rückweg über die Route 1 ist weit, und als ich endlich die Ausfahrt nach Key Caroline erreichte, war ich dem Wahnsinn nahe. Meine Hände juckten wie verrückt. Wenn Sie jemals an sich selbst erlebt haben, wie eine tiefe Schnittwunde oder eine Operationsnaht verheilt, wissen Sie ungefähr, wie dieses Jucken sich anfühlt. Es war, ah kröchen Lebewesen über meine Hände und bohrten sich in das Fleisch.
    Die Sonne war fast untergegangen, und im trüben Licht der Armaturenbrettbeleuchtung betrachtete ich lange meine Hände. Die Fingerspitzen waren jetzt rot, und ich sah wie mit dem Zirkel gezogene winzige rote Kreise. Sie saßen ein wenig oberhalb der Fingerkuppen, von denen man Abdrücke nehmen kann, und an denen man Hornhaut kriegt, wenn man Gitarre spielt. Auch zwischen dem ersten und zweiten Glied der Daumen und Finger und zwischen zweitem Glied und Knöchel entdeckte ich diese roten Kreise. Ich hob die Finger der rechten Hand an die Lippen und ließ sie angewidert fallen. Mich packte dumpfes Entsetzen. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Die Stellen mit den roten Flecken fühlten sich heiß an, als hätte ich Fieber, aber die übrige Haut war weich und kalt wie die eines verrotteten Apfels.
    Während ich weiterfuhr, versuchte ich, mir einzureden, daß ich tatsächlich irgendwelche giftigen Pflanzen angefaßt haben mußte. Aber dann kam mir ein entsetzlicher Gedanke. In meiner Kindheit hatte ich eine Tante. Sie verbrachte die letzten zehn Jahre ihres Lebens völlig isoliert in einem Zimmer im Obergeschoß unseres Hauses. Meine Mutter trug ihr das Essen hinauf, und ihr Name durfte nicht erwähnt werden.
    Später erfuhr ich, daß sie an der Hansenschen Krankheit litt - Lepra.
    Als ich zu Hause war, rief ich Dr. Randers an, der auf dem Festland wohnte. Es meldete sich nur der Telefonauftrags-dienst. Dr. Flanders sei zum Angeln gefahren. Wenn es aber dringend sei, dann könnte man Dr. Ballanger -
    »Wann ist Dr. Flanders zurück?«
    »Spätestens morgen nachmittag. Würde das …?«
    »Aber ja.«
    Nachdenklich legte ich auf und rief wenig später Richard an. Ich ließ es ein dutzendmal klingeln. Nichts. Unentschlossen saß ich eine Weile herum. Das Jucken war schlimmer geworden. Es ging jetzt vom Fleisch selbst aus.
    Ich rollte mit meinem Stuhl an das Bücherregal und zog das zerfledderte medizinische Wörterbuch heraus, das ich schon seit Jahren hatte. Ich fand keine Erklärung für meine Symptome. Alle zu vage. Es hätte alles Mögliche oder gar nichts sein können.
    Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. Ich hörte die alte Schiffsuhr drüben in der Ecke ticken. Das pfeifende Dröhnen eines Jets, der gerade in Richtung Miami startete. Den leisen Hauch meines Atems.
    Ich starrte immer noch auf das Buch in meiner Hand.
    Mir kam eine grauenhafte Erkenntnis, langsam erst und dann auf einen Schlag. Ich hatte die Augen geschlossen und

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