Nachtschicht
glänzten, was er dachte, als diese Hände ruckartige Bewegungen machten, kurz bevor ihm der Kopf platzte.
Ich wußte, was ich selbst dachte.
Ich dachte, ich hätte über den Rand des Universums geschaut und die Feuer der Hölle gesehen.
Als ich die Bandagen löste, zerrte der Wind an ihnen und ließ sie wie kleine Wimpel fliegen. Die Wolken hatten den letzten roten Glanz der sinkenden Sonne ausgelöscht, und die Dünen lagen unter dunklen Schatten. Über uns raste und kochte der Himmel.
»Du mußt mir eins versprechen, Richard«, schrie ich über den Wind hinweg. »Du mußt sofort wegrennen, wenn es so aussieht, als versuchte ich … dir etwas zu tun. Hast du mich verstanden?«
»Ja.« Der Wind ließ sein offenes Hemd flattern. Sein Gesicht war unbewegt, und von seinen eigenen Augen waren nur noch die Höhlen zu erkennen.
Die letzte Bandage fiel.
Ich sah Richard an, und auch sie sahen Richard an. Ich sah ein Gesicht, das ich seit fünf Jahren kannte und das mir vertraut war. Sie sahen einen verzerrten lebenden Monolithen.
»Da hast du deinen Willen«, sagte ich heiser. »Jetzt siehst du sie.«
Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. In seinem Gesicht flackerte ungläubiges Entsetzen auf. Blitze zuckten vom Himmel. Hoch in den Wolken rollte der Donner, und das Wasser war zurückgewichen wie das des Styx, des Flusses der Unterwelt.
»Arthur -«
Wie abscheulich er aussah! Wie hatte ich nur in seiner Nähe leben, je mit ihm sprechen können? Er war kein menschliches Wesen, sondern eine stumme Pestilenz. Er war -
»Lauf! Lauf, Richard!«
Und er lief. In riesigen Sätzen rannte er davon. Vor dem drohenden Himmel wurde er zu einem grotesken Knochen-gerüst. Meine Hände flogen hoch. Schreiend riß ich sie in einer bizarren Geste über den Kopf, und meine Finger griffen nach dem einzigen, das mir in dieser Alptraumwelt noch vertraut war - sie griffen nach den treibenden Wolken.
Die Wolken brüllten ihr Echo.
Ein gewaltiger blauweißer Blitz fuhr herab, als sei dies das Ende der Welt. Er traf Richard, er hüllte Richard völlig ein.
Dann erinnerte ich mich nur noch an elektrischen Ozonge-stank und an den Gestank von verbranntem Fleisch.
Als ich wieder zu mir kam, saß ich ruhig auf meiner Veranda und schaute zu der großen Düne hinüber. Der Sturm hatte sich gelegt, und die Luft war angenehm kühl. Die schmale Sichel des Mondes hing am Himmel. Der Sand schien unberührt - Richard und sein Buggy waren nirgends zu sehen.
Ich betrachtete meine Hände. Die Augen waren geöffnet, aber ihr Blick war glasig. Sie hatten sich verausgabt. Sie schliefen.
Ich wußte nur zu gut, was zu tun war. Bevor das Tor sich weiter öffnete, mußte ich es schließen. Für immer. Ich bemerkte schon strukturelle Veränderungen an den Händen selbst. Die Finger fingen an, kürzer zu werden … und sich zu verändern.
Im Wohnzimmer war ein kleiner Kamin, in dem ich gelegentlich ein Feuer anzündete, wenn sich die feuchte Kühle Floridas allzusehr bemerkbar machte. Auch jetzt zündete ich eins an.
Ich beeilte mich. Sie konnten mir jeden Augenblick auf die Schliche kommen.
Als das Feuer hell brannte, fuhr ich nach draußen an das Kerosinfaß und überschüttete meine Hände mit dem Brenn-stoff. Sie wurden sofort wach und schrien vor Schmerz. Ich hätte den Weg ins Wohnzimmer und an das Feuer fast nicht mehr geschafft.
Aber ich schaffte ihn.
Das alles liegt schon sieben Jahre zurück.
Ich bin immer noch hier, und immer noch beobachte ich die Raketenstarts. In letzter Zeit sind sie häufiger. Die jetzige Regierung hat wieder größeres Interesse an der Raumfahrt. Es wurde sogar davon gesprochen, daß es weitere bemannte Venussonden geben soll.
Ich habe den Namen des Jungen ermittelt, wenn das auch keine. Rolle spielt. Seine Mutter hatte geglaubt, er habe auf dem Festland einen Freund besucht. So wurde die Polizei erst am darauffolgenden Montag alarmiert. Richard - nun, die meisten harten Richard ohnehin für einen komischen alten Trottel gehalten. Sie glaubten, er sei wieder in Maryland oder habe sich mit irgendeiner Frau zusammengetan.
Ich selbst wurde stillschweigend geduldet, obwohl die Leute mich für ziemlich exzentrisch halten. Welcher Astronaut schreibt schließlich ständig an seine gewählten Vertreter in Washington, um ihnen zu sagen, daß die Mittel für die Erforschung des Weltraums bessere Verwendung finden könnten?
Ich komme mit diesen Haken ganz gut zurecht. Etwa ein Jahr lang hatte ich entsetzliche
Weitere Kostenlose Bücher