Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
dem Gespräch mit Brynn entnommen, als sie beide in dem Transporter neben dem Wohnmobil der Meth-Kocher gesessen hatten.
Der Plan hatte außerdem vorgesehen, dass Hart und Lewis als Sündenböcke im Haus der Feldmans zurückbleiben würden.
Hart musste unwillkürlich lachen. Er hatte Compton Lewis aus genau dem gleichen Grund angeheuert, wie Michelle ihn selbst angeworben hatte: als Rückversicherung und Prügelknaben. Falls der Raubüberfall in die Hose ging und jemand ums Leben kam, hatte Hart seinen Partner töten und als Einzeltäter erscheinen lassen wollen. Deshalb hatte er sich einen solchen Versager ausgesucht, mit dem ihn absolut nichts verband. Am Rand der Interstate war es beinahe so weit gekommen. Mit Michelle, Brynn und dem kleinen Mädchen vor sich - und dem Streifenwagen als Fluchtfahrzeug - war es Zeit gewesen, den Abend zu beschließen. Hart hatte Lewis getötet und wollte die anderen gerade mit der SIG erschießen, als ausgerechnet Brynns Ehemann auftauchte.
Ich meine, bei meinen Kontakten und den Jungs aus meiner
Truppe und der Art, wie du, du weißt schon, die Dinge planst und durchdenkst, wären wir ein gutes Team.
Oh, du armer Hund, dachte Hart. Du hast das allen Ernstes geglaubt, nicht wahr? Und hier hast du gesessen, dessen Schicksal schon bei unserem ersten Treffen zur Hälfte besiegelt war, an deinem grünen Ohrring herumgespielt und verächtlich gespottet, wieso wir uns nicht in einer echten Bar, sondern in einem Schwuchtelladen wie diesem treffen würden, in dem es bloß Kaffee gab.
Hart wurde allmählich müde. Er dachte an Michelle. Von allen Leuten, mit denen und für die er jemals gearbeitet hatte - brandgefährlichen jamaikanischen Drogenbaronen, Bandenführern und Syndikatsbossen überall im Mittelwesten -, war dieser zierliche junge Rotschopf mit Abstand am tödlichsten.
Nach außen niedlich, schutzbedürftig und harmlos, doch in Wahrheit ein Skorpion.
Er stellte sich die beiden Frauen zusammen vor. Worüber, um Himmels willen, hatten sie letzte Nacht geredet? Brynn McKenzie ließ sich nicht so leicht etwas vormachen, und doch hatte Michelle als Schauspielerin brilliert. Er dachte an die unwirklichen Momente mit Brynn in dem Transporter.
Aha, Michelle war eine Freundin der Familie? Wurde sie so in die ganze Angelegenheit verwickelt? Zur falschen Zeit am falschen Ort, könnte man sagen. Das ist heute Abend häufiger vorgekommen …
Der Trickster.
Im Haus der Feldmans hatte er einen kurzen Blick auf eine der Kreditkarten in ihrer Handtasche geworfen und den Namen abgelesen. Michelle S. Kepler, glaubte er. Oder Michelle A. In der Tasche hatte vermutlich auch ein Führerschein gesteckt, aber darauf hatte er zu jenem Zeitpunkt nicht geachtet. Er musste die Frau ausfindig machen - natürlich noch vor der Polizei. Ansonsten würde sie ihn ohne Zögern verraten. Oh, es gab für ihn in den nächsten Tagen viel zu tun.
Doch dann verblasste der Gedanke an Michelle genau wie zuvor der an Compton Lewis, und Hart schlief mit nur einem einzigen Bild vor Augen ein: dem ruhigen, selbstsicheren Blick von Deputy Brynn McKenzie, die neben ihm auf dem Fahrersitz des Transporters saß.
Sie haben das Recht zu schweigen …
83
Um zwanzig Uhr kamen sie aus dem Krankenhaus zurück.
Brynn und Graham holten Joey vom Haus der Nachbarin ab und fuhren nach Hause. Brynn stieg als Erste aus dem Wagen und ging zu Deputy Jimmy Barnes, der heute Geburtstag hatte. Der rotgesichtige Mann mit dem schütteren Haar saß vor ihrem Haus in seinem Streifenwagen und war ernst und still - wie jeder Angehörige des Kennesha County Sheriff’s Department -, wegen Munce.
Und mit ihnen eine Vielzahl von Leuten überall in Humboldt.
»Es war niemand hier, Brynn.« Er winkte Graham zu. »Ich habe ein paarmal eine Runde gedreht.«
»Danke.«
Sie nahm an, dass Michelle, wer auch immer sich dahinter verbarg, längst über alle Berge war, doch die Frau schien erschreckend blindwütig zu sein.
Und Hart kennt ihren Nachnamen, dachte Brynn.
»Die Spurensicherung ist fertig. Ich habe danach die Tür abgeschlossen.«
»Haben sie schon etwas gesagt?«
»Nein. Du weißt ja, wie die Jungs von der Staatspolizei sind.«
Es musste schon mit dem Teufel zugehen, sollten die Hülsen und Projektile vom Lake Mondac nicht zu denen aus Brynns Haus passen.
»Das waren überhaupt nicht ihre Freunde?«, fragte Barnes. »Sie hat sich das alles nur ausgedacht?«
»Ja.«
»Was ist mit deiner Mom? Geht es ihr schon besser?«
»Sie
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