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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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verlassen.
    Doch sie riss sich zusammen. Wie wütend sie auch wurde - und meistens wurde sie fuchsteufelswild -, es gelang ihr normalerweise,
sich zu beherrschen. Überlebensinstinkt. Und so lächelte sie auch diesmal, wenngleich sie insgeheim schadenfroh dachte: Den Blowjob heute Nacht kannst du dir abschminken, Liebling.
    Sie fragte sich, ob er mit den Kindern über sie geredet hatte. Ja, hatte er, das spürte sie. Sie würde Bradford später danach fragen.
    »Ist was?«, fragte Rolfe.
    »Nein«, entgegnete sie und bat ihren Sohn, ihr aus der Küche eine Limonade zu holen.
    Sie setzte sich auf die Couch und schaute dem Jungen hinterher. Und als hätte jemand einen Schalter umgelegt, wurde aus der Eifersucht überwältigende Liebe.
    Obwohl Michelle Kepler es versuchte, seit sie sechzehn war, wurde sie einfach nicht schwanger. Zum Glück hatte sie sich mit einer alleinerziehenden Mutter aus Milwaukees Unterschicht anfreunden können. Zu diesem Zweck hatte sie so getan, als würde sie ehrenamtlich für eine gemeinnützige Organisation arbeiten, die den Bedürftigen half.
    Blanche hatte sich durch Sex, Drogen oder beides mit HIV infiziert. Sie war oft krank und ließ ihren Sohn und ihre Tochter dann jeweils in Michelles Obhut. Trotz der Arznei-Cocktails, die AIDS unter Kontrolle halten sollten, verschlechterte der Zustand der armen Frau sich zusehends - doch sie konnte sich immerhin damit trösten, dass sie Michelle schriftlich zum Vormund der Kinder bestimmt hatte, falls ihr etwas zustoßen sollte.
    Was ein großes Glück war, denn die Frau starb viel schneller als erwartet.
    Welch trauriges Ereignis.
    Wenig später spülte Michelle einen Berg verschreibungspflichtiger AIDS-Medikamente im Klo hinunter. Eigentlich hätte Blanche die Tabletten im Laufe des letzten halben Jahres einnehmen sollen, aber Michelle hatte ihr die Mittel vorenthalten.
Und die unterschlagenen Vitamine hatte sie - sparsam wie sie war - den Kindern verabreicht.
    Nun gehörten diese beiden Kinder ihr. Sie liebte sie von ganzem Herzen. Die zwei gehorchten ihr, himmelten sie an und - wie die Therapeutin in einer vom Gericht vorgeschriebenen Sitzung vor einigen Jahren zu ihr gesagt hatte - verliehen ihrem ansonsten wenig bemerkenswerten Leben einen Sinn. Doch die Therapeuten konnten ihr alle gestohlen bleiben; Michelle wusste, was sie wollte. Schon immer.
    Es zählte zu den Tragödien jener Aprilnacht, dass Michelle gezwungen gewesen war, Amy wieder herzugeben - weil plötzlich Brynns Ehemann mit einer Waffe aufgetaucht war. Andernfalls hätte sie das Mädchen in ihre Familie aufgenommen. Sie hätte Brynn und Hart erschossen (und auch Lewis, falls Hart nicht schon so nett gewesen wäre) und sich mit ihrer neuen Tochter davongeschlichen.
    Doch das hatte leider nicht geklappt.
    Ein weiterer Minuspunkt für Brynn McKenzie.
    Michelle schaute zu Tory, die Rolfe gerade ein Bild zeigte, das sie für ihn gemalt hatte.
    Das fette Schwein ist nicht dein Daddy, dachte sie. Wage ja nicht, so etwas auch nur zu denken.
    In dem Moment klingelte ihr Telefon. Sie las im Display die Kennung des Anrufers ab. »Ich gehe mal lieber dran«, sagte sie zu Rolfe.
    Er nickte selbstgefällig, lobte das kleine Mädchen für das gemalte Bild und widmete sich wieder dem Fernsehprogramm.
    Brad kam mit der Limonade. Er hielt sie seiner Mutter hin.
    »Siehst du nicht, dass ich telefoniere?«, herrschte Michelle ihn an und ging ins Schlafzimmer. »Harborside Inn«, meldete sie sich mit Latina-Akzent. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Hallo, ja. Hier ist Deputy McKenzie. Aus Kennesha County. Haben Sie mich vor ungefähr einer halben Stunde angerufen?«

    »Oh, sicher, Deputy. Wegen dem Gast. Dem mit dem Koffer.«
    »Genau. Ich habe in meinem Terminplan nachgesehen. Ich kann gegen siebzehn Uhr in Milwaukee sein.«
    »Mal sehen … Ginge es auch eine halbe Stunde später? Wir haben um fünf eine Personalbesprechung.« Michelle war mit ihrer Darbietung zufrieden.
    Eigentlich bin ich Schauspielerin …
    »Sicher, kein Problem.«
    Sie nannte Brynn die Adresse.
    »Bis nachher.«
    Michelle trennte die Verbindung. Schloss die Augen. Gott oder Schicksal … vielen Dank.
    Sie ging zum Wandschrank und holte einen verschlossenen Koffer daraus hervor. Öffnete ihn. Nahm ihre kompakte Glock und steckte sie in ihre Handtasche. Dann schaute sie kurz aus dem Fenster. Sie war gleichzeitig nervös und erheitert. Schließlich kehrte sie ins Wohnzimmer zurück. »Das war das Pflegeheim«, sagte sie zu

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