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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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zeigte sie ihren Dienstausweis vor, nahm das Gewehr an sich und bat um seinen Führerschein.
    Er hieß Charles Gandy und campte mit seiner Frau und einigen Freunden nicht weit von hier in einem Winnebago.

    »Können Sie laufen?«, fragte sie nun. Brynn wollte so schnell wie möglich zu dem Wohnmobil.
    »Sicher. Es ist nicht so schlimm.« Er drückte sich die Socke der Bola an das verletzte Ohr. Die Blutung schien fast aufgehört zu haben.
    Was keine Garantie dafür war, dass er das Department nicht verklagen würde. Doch Brynn hatte nichts dagegen. Sie würde darauf bestehen, dass der Bezirk ihm zahlte, was immer er verlangte. Sie konnte gar nicht sagen, wie erleichtert sie war, eine Möglichkeit zur Flucht aus dem Park gefunden zu haben - noch dazu mit einem Gewehr in den Händen.
    Kontrolle …
    Während Brynn Wache hielt, half Michelle dem Mann auf die Beine.
    »Sind Sie auch verletzt?«, fragte er mit Blick auf das Billardqueue.
    »Es geht schon«, antwortete Michelle geistesabwesend und beäugte misstrauisch das überwältigende Durcheinander aus Zweigen, Büschen und Bäumen.
    »Wir sollten uns beeilen«, sagte Brynn. »Gehen Sie voraus.«
    Wie es schien, kannte Charles Gandy sich hier gut aus. Er führte sie an dem trockenen Bachbett vorbei und über Pfade, die Brynn nicht mal bemerkt hatte. Das war gut, denn sie mieden so vollständig die Geräusche der Blätter und Äste, die ihren Standort hätten preisgeben können. Sie stiegen einen Hang hinauf, gingen um eine Lichtung herum und dann weiter nach oben. Die generelle Richtung war Norden. Michelle humpelte so schnell wie möglich mit und benutzte inzwischen den Speer als Gehstock.
    Brynn folgte mit dem Gewehr und schaute öfter nach hinten als nach vorn.
    Hinter einem mehr als zwei Meter hohen Granitvorsprung legten sie eine Pause ein. Gandy berührte Brynn am Arm und zeigte auf etwas.

    Ihr Herz stockte kurz.
    Jenseits einer langen Schlucht war ein kahler Hügelkamm zu sehen. Dort standen Hart und sein Partner mit der Schrotflinte und suchten das Gelände ab. Ihre Körperhaltung schien von Frustration zu zeugen.
    »Sind das die beiden, von denen Sie mir erzählt haben?«, fragte Gandy leise.
    Sie nickte.
    »Erschießen Sie sie«, flüsterte Michelle.
    Brynn sah sie an.
    »Los, erschießen Sie sie«, wiederholte die junge Frau mit großen Augen.
    Brynn musterte das Gewehr in ihren Händen. Sie sagte nichts, rührte sich nicht.
    Michelle schaute zu Gandy. »He, sehen Sie nicht mich an«, sagte er. »Ich verdiene mein Geld als Verkäufer in einem Bioladen.«
    »Dann mache ich es«, sagte Michelle. »Geben Sie mir die Waffe.«
    »Nein. Sie sind Zivilistin. Falls Sie einen der beiden töten, ist das Mord. Man würde Sie vermutlich freisprechen, aber Sie sollten es nicht darauf ankommen lassen.«
    Brynn beugte sich über einen großen Felsen, stützte sich darauf ab und legte das Gewehr an.
    Die Männer waren ungefähr hundert Meter entfernt, und Gandys Gewehr hatte kein Zielfernrohr. Doch Brynn kannte sich mit Gewehren aus - hauptsächlich als Folge der Fortbildungskurse. Sie war außerdem ein paarmal auf der Jagd gewesen, jedenfalls bis zu einem Vorfall vor einigen Jahren in Minnesota: Keith hatte gerade sein Gewehr nachgeladen, als sie plötzlich von einem Wildschwein angegriffen wurden. Brynn hatte das rasende Tier mit zwei schnellen Schüssen erlegt. Danach war sie nie mehr jagen gegangen, nicht etwa aus Angst - der Adrenalinstoß hatte ihr sogar gefallen -,
sondern weil sie ein Tier getötet hatte, dessen einziges Vergehen es gewesen war, sich gegen Eindringlinge zu verteidigen.
    Noch vor Kurzem hatte sie vorgehabt, Harts Partner mit ihrem Speer umzubringen. Doch jemanden aus dem Hinterhalt zu erschießen, war etwas anderes.
    Nun, drückst du ab oder nicht?, fragte Brynn sich kühl. Falls ja, dann jetzt. Die beiden werden nicht ewig stillhalten.
    Brynn beschloss, etwa fünf Zentimeter Höhe vorzuhalten, um die leichte Parabel der Schussbahn auf jene Entfernung auszugleichen. Der Wind? Tja, der blieb unberechenbar; er wechselte ständig hin und her.
    Da muss ich wohl auf mein Glück bauen.
    Brynn zielte über Kimme und Korn.
    Sie hatte beide Augen offen. Legte den Sicherungshebel um. Fing an, den Abzug zu drücken. Der Trick war, Kimme und Korn auf das Ziel auszurichten und dann so lange vorsichtig Druck auszuüben, bis der Schuss sich löste. Wenn man zu heftig abdrückte, verriss man die Waffe.
    Doch genau in diesem Moment gingen die Männer auseinander.

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