Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
Bewohner der Steppen munkelten, er wäre der Teufel, und das will was hei ßen, denn vor tausend Jahren war das Leben in Russland kurz und grausam, und nur die Stärksten überlebten diese Härten. Als es seinem Vater zu bunt wurde, warf er Konstantine hinaus und erklärte ihm, er solle sich allein durchschlagen.«
Ann rutschte näher an das Feuer und schlang die Arme um ihre angezogenen Knie. »Warf er ihn in den tiefen Schnee?«
»Hoffentlich.« Jasha reichte ihr die Flasche.
Sie nahm einen Schluck und gab sie ihm zurück. »War er ein Psychopath? Ein Serienmörder?«
»Das ist noch nett ausgedrückt. Ich würde sagen, er war ein sadistisches Monster. Jahrelang zog er durch die Steppe, kämpfte, raubte und brandschatzte. Allmählich entstand das Gerücht, dass er der Teufel in Menschengestalt wäre.« Jasha warf zwei Holzscheite in die Glut, woraufhin ein rot glühender
Funkenregen aufstob. »Schließlich schaltete sich der Herr der Finsternis persönlich ein.«
Ein eisiger Schauer überkam Ann.
»Die Legende besagt, dass der Fürst der Dunkelheit sich aufschwang, seinen dreisten Wiedergänger zu vernichten. Konstantine schwante jedoch, was er wollte. Er erbot sich, sein Teufelswerk zu erledigen, und nach längeren Verhandlungen willigte Satan ein. Um den Deal zu besiegeln, verlangte er, dass Konstantine die Familienikone der Varinskis zerstörte.« Jasha starrte in den zuckenden Flammenschein. »Ich hab dir ja von den Russen und unseren Ikonen erzählt, und dass eine Ikone der Madonna als Wunder gilt.«
Jasha war Amerikaner. Er war hier aufgewachsen. Er beteuerte, dass seine Familie sämtliche Wurzeln zu ihrer früheren Heimat gekappt hatte. Trotzdem sagte er ganz selbstverständlich unsere Ikonen . »Ja. Ja, du hast mir davon erzählt.«
»Die Varinski-Ikone bestand nicht nur aus einem Gemälde der Heiligen Jungfrau, sondern aus vier Szenen, die sie in unterschiedlichen Lebenssituationen porträtieren.«
»Nicht bloß ein Wunder, sondern gleich vier.« Ann tippte auf ihre Hosentasche, in der sie die Ikone der Jungfrau Maria mit ihrer Familie aufbewahrte. Fühlte das Gewicht des Bildchens, das sie dort sicher aufgehoben wähnte.
»Korrekt. Also schlich sich Konstantine heimlich in das Haus seiner Eltern, um die Ikonen zu stehlen. Sein Vater war bereits tot. Seine Mutter lebte allein, und sie war eine strenggläubige alte Frau. Sie hätte Konstantine die Ikonen niemals freiwillig ausgehändigt, einem Mann, der zu scheußlicher Brutalität fähig war. Sie lief in die Kirche, die Ikonen an ihren Busen gedrückt. Er verfolgte sie, als wäre sie ein wildes Tier, überwältigte sie in dem Gotteshaus … und tötete sie.«
Ann ahnte das Ende der Geschichte und rutschte ein wenig näher zu Jasha. »Er meuchelte seine eigene Mutter.« Sie
hatte ihre Mutter nicht gekannt. Sie hätte so gern eine Mutter gehabt, sie hatte davon geträumt, jede Nacht hatte sie die Sterne angebettelt, ihr diesen einen sehnlichen Wunsch zu erfüllen - und Konstantine hatte seine Mutter eiskalt umgebracht.
»Das ist eine der Todsünden. Konstantine wusste es.«
»Und setzte sich brutal darüber hinweg.« Die abgekühlte Abendluft streifte Anns Nacken, und sie schlug den Kragen ihrer Weste hoch.
»Ja. Und es kam noch ärger. Das Blut seiner Mutter besiegelte den Pakt mit dem Teufel.« Die Flammen tauchten Jashas Gesicht in ein rötliches Licht, und seine Augen - seine Augen schimmerten rot glühend wie die eines Wolfs. »Dann steckte er die Kirche in Brand.«
»Aber …« Hastig zog Ann die Ikone aus der Tasche. Sie betrachtete die purpurrote Robe der Madonna, ihre gütigen Augen und ihre Familie, die sich um sie versammelte.
»Nur eine Sache entkam dem Feuer.«
Ann war mit einem Mal alles sonnenklar. Aber natürlich! »Die Ikonen. Die Wunder.«
Er senkte den Kopf. »Konstantine fand sie in den verkohlten Ruinen, die vier Ansichten waren noch miteinander verbunden, die Farben leuchtend, die Madonnen wunderschön, Holz, Leim und Farbe von den Flammen zu einer unzerbrechlichen Masse ausgehärtet.«
Ann überlief eine Gänsehaut.
»Gleichwohl ließ sich der Teufel nicht hinters Licht führen. Wenn er die Ikone schon nicht zerstören konnte, wollte er sie wenigstens unwiederbringlich verschwinden lassen. Während Konstantine sich zur Feier des Tages betrank, jagte der Teufel einen Blitzstrahl durch die Heiligenbildchen und verstreute die vier Teile in sämtliche Himmelsrichtungen, damit sie nie wieder auftauchten.«
»Stimmt das
Weitere Kostenlose Bücher