Nachtseelen
forderte.
»Bei dir brennt wohl die Hütte«, murmelte Alba ohne Gram.
Er lächelte gequält. »Finanzkrise. Aber mach dir keinen Kopf deswegen. Keine Krise der Welt könnte Familie Wagner aus der Kurve bringen, was?«
Alba nickte, obwohl er nicht sonderlich überzeugend klang. Sie machte es sich im Sessel gemütlich und wäre fast eingeschlafen, hätte sich ihr Vater nicht endlich an sie gewandt: »Tut mir leid, Liebes. Jetzt aber endgültig Schluss mit der Arbeit, zumal deine Mutter mich umbringt, wenn ich mich nicht endlich unten zeige. Also, was ist los? Wie ich hörte, geht es dir nicht gut. Deine Mutter fürchtet, du hättest ⦠mh ⦠wieder Probleme â¦Â«
»Mir geht es hervorragend.« Alba ahnte, welche Probleme damit gemeint waren. Aber die Frau sollte aufhören, sich um die geistige Gesundheit ihrer Tochter zu sorgen. Psychotherapeuten konnten Alba ganz gewiss nicht helfen. Nachzehrer und Metamorphe existierten nicht nur in ihrer Fantasie.
Hoffte sie zumindest.
Herr Wagner nahm seine schmale Lesebrille ab und
legte die Bügel zusammen. Leicht tippte er mit den Gläsern gegen einen Papierstapel vor sich. »Ich habe gehört, du und Georg, ihr hättet gestritten.«
»Wir sind nicht mehr zusammen. Papa, es ist Zeit, dass ich mein Leben ändere. Endlich weià ich, was ich will.« Das Tippen der Brille machte sie nervös, lenkte sie von ihrem Gedankenfluss ab. Alba musste ihren Mut sammeln, um weiterzusprechen: »Ich habe jemand anderen kennengelernt. Ich werde nicht mehr zu Georg zurückkehren und will auch nicht bei euch einziehen. Wenn ich eine kleine Wohnung â¦Â«
»Warte, das ist zu viel auf einmal. Du hast jemanden kennengelernt?«
Sie hätte wissen müssen, dass sie es nicht so einfach verschweigen konnte. »Er heiÃt Finn.«
Ihr Vater legte die Brille beiseite und lehnte sich in seinem Bürosessel zurück. »Finn â und weiter?«
Noch nie hatte dieses Arbeitszimmer so offiziell auf sie gewirkt. Alba kam es vor, als wäre sie im Verhör. Angeklagt wegen Staatsverrats. Und was sollte sie antworten? Nach Finns Nachnamen hatte sie nie gefragt. Nicht einmal das weiÃt du von ihm!, wisperte die innere Stimme. Aber lieben willst du ihn!
»Das spielt doch keine Rolle«, verteidigte sie sich. »Eins ist sicher, er ist keinem Adelsgeschlecht entsprungen, und seine Eltern führen auch keine internationalen Konzerne oder so.«
Ihr Vater lachte, wobei sich die dünne Haut auf seinem Gesicht noch mehr spannte, so dass sich die Wangenknochen
scharf unter ihr abzeichneten. »Also die Art von Finn, bei der deine Mutter die StraÃenseite wechseln würde, sollte sie ihm begegnen.«
Alba schmunzelte. »Vermutlich.« Die Atmosphäre entspannte sich etwas. Doch zu früh gefreut.
»Was macht er beruflich?«, folgte die nächste Frage. »Irgendwie muss er doch seinen Lebensunterhalt verdienen.«
Auch das wusste sie nicht. Laut Micaela hatte er nicht einmal einen Schulabschluss. Nicht gerade eine Information, die ihr Vater gern hören würde.
»Er versteht sich ganz gut mit Tieren«, wich sie aus. Wie feige! Als würde sie sich für Finn schämen. Keine gute Grundlage für eine Beziehung. Denn wie oft müsste sie ihn dann verteidigen, sollten sie dauerhaft zusammen sein? Sie ertappte sich dabei, wie sie an ihren Haarspitzen zupfte. Ihrem Vater entging ihre Unsicherheit nicht.
»So, so. Aber du bist kein Hündchen, das man kraulen und Gassi führen müsste. Verstehst du, warum ich mir Sorgen mache?«
»Das brauchst du nicht. Ich liebe ihn.«
»Liebe!« Abfällig stieà ihr Vater die Luft durch die Nase. »Du kannst doch nicht wirklich mit einem Mann zusammen sein, von dem du nicht einmal den Nachnamen kennst. Der keinen richtigen Job hat und vielleicht nur auf dein Geld aus ist.«
Ja, vor ihm konnte sie nichts verheimlichen. Auf seine knallharte Art, für die seine Gegner ihn fürchteten
und seine Freunde ihn respektierten, brachte er die Sache auf den Punkt.
Alba versuchte es anders. »Einmal hast du mich gefragt, ob ich mit Georg glücklich bin. War ich nicht. Aber mit Finn bin ich das. Und als du meine Mutter geheiratet hast, spielten das Geld oder die Abstammung für dich doch auch keine Rolle!«
Seine Miene wirkte tot. Es war, als säÃe wirklich bloà ein mit Haut überzogener Schädel
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