Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
Vom Netzwerk:
Anspruch genommen.
    Â»Papa …« Sie stockte. Es fühlte sich seltsam an, diese zwei Silben auszusprechen, hatte sie ihn doch früher immer bloß »Elmar« oder »Vater« genannt. Ausgerechnet in dieser Situation mit »Papa« anzufangen, empfand sie als heuchlerisch. »Vater, ich muss dich sprechen. Es ist dringend.« Im Hintergrund vernahm sie gedämpfte Stimmen – hoffentlich störte sie ihn nicht bei einer Konferenz.
    Â»Steckst du in Schwierigkeiten?«
    Â»Ja. Nein. Ich erkläre dir alles, wenn wir uns treffen. Wann hättest du denn Zeit?« Hinter ihr hupte es, die Ampel hatte wieder auf Grün geschaltet. Das Handy zwischen Schulter und Ohr geklemmt, fuhr Alba los.
    Â»Morgen Abend. Du hast hoffentlich nicht den Empfang vergessen, oder?«
    Alba stöhnte. Natürlich hatte sie das, weil es sie nicht die Bohne interessierte. Normalerweise verwaltete Georg ihre Termine und erinnerte sie daran, wo sie aufzutauchen hatte. Dieses Leben schien ihr jetzt weit entfernt. »Ich gehe nicht hin.«
    Â»Aber Alba, weißt du nicht, wie viel Mühe sich deine Mutter gegeben hat?« Jetzt sprach er mit ihr wie mit einem kleinen Mädchen, das es zu rügen galt, was er allerdings eher selten auf die Reihe bekam.
    Ob es sie interessierte, welche Mühen ihre Mutter in
irgendwelche Partys steckte! »Ich muss dich einfach nur sprechen, bitte! Es ist dringend.«
    Ihr Vater seufzte. »Ich bin doch gar nicht in Hamburg, Liebes. Mein Flug geht erst morgen zurück.«
    Am anderen Ende sprach ihn jemand an. Er antwortete, ein wenig verzweifelt, als wisse er nicht, ob er auflegen oder mit seiner Tochter weitertelefonieren sollte, entschied sich aber für die Belange des Geschäfts. »Morgen Abend bin ich für dich da, okay? Ich hab dich lieb. Wir sehen uns dann zu Hause.«
    Die Verbindung wurde getrennt. Verzweifelt warf Alba ihr Handy gegen das Armaturenbrett. Doch ihr Zorn verflog sogleich – was konnte denn ihr Vater dafür? Anscheinend hatte sie keine andere Wahl. Sie musste zu diesem verfluchten Empfang gehen, um ihren Vater zu Gesicht zu bekommen. Auch auf die Gefahr hin, damit eine Auseinandersetzung mit ihrer Mutter zu provozieren oder Georg über den Weg zu laufen.
    An der nächsten Ampel kramte sie ihr Portemonnaie aus ihrer Tasche. Sie hatte genug Geld, um sich ein Zimmer im Hotel zu mieten, auch wenn sie sich nicht erlauben konnte, allzu wählerisch dabei zu sein. Für Extrawünsche würde das nicht reichen.
    Alba lächelte traurig. Musste es auch nicht. Es ging schließlich nicht ums Übernachten, sondern darum, diese Nacht einfach zu überstehen.
    Â 
    Das Hotelzimmer war schlimmer als in ihren übelsten Vorstellungen. Doch Alba war zu müde, um sich über
den lärmenden Verkehr hinter den Fenstern, eine harte Matratze und den Geruch des kalten Rauches, der überall haftete, zu ärgern. Ohne sich auszuziehen, ließ sie sich auf das Bett fallen und starrte die gelbliche Decke an.
    Willkommen am Tiefpunkt.
    Sie machte sich große Sorgen um Finn. Sie musste ihn sehen, sie brauchte ihn, doch sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn erreichen sollte. Insgeheim schlummerte die Hoffnung in ihr, er würde sie schon finden, wie er es sonst auch getan hatte.
    Doch er kam nicht.
    Sie blieb allein.
    Am frühen Morgen checkte sie aus, erleichtert, diese Bude hinter sich lassen zu können. Den Tag verbrachte sie in Bewegung. Zu sehr fürchtete sie, die Untoten würden sie erwischen, sollte sie irgendwo für längere Zeit haltmachen.
    Gegen 20 Uhr lenkte sie ihren Wagen zur Villa ihrer Eltern. Als sie auf das Grundstück fuhr, sah sie bereits einige Autos ringsherum parken. Die Party war also bereits im Gange. Am Kreisel vor dem Anwesen hielt sie an. Sogleich eilte ein Parkgehilfe zu ihr, öffnete ihr galant die Tür und bat um die Schlüssel, um ihre Corvette abzustellen.
    Â»Ich bleibe nicht lange«, rief sie ihm zu und lief die Stufen zum Haus empor. Alle Fenster des ersten Stocks waren hell erleuchtet, und sie erhaschte einen Blick auf die Gäste, die mit Champagner-Gläsern vorbeidefilierten oder sich in kleinen Grüppchen unterhielten.

    Am Eingang stand eine Empfangsdame am Pult mit zwei Sicherheitsmännern im Hintergrund. Als Alba näher kam, erkundigte sich diese nach ihrem Namen.
    Â»Alba Wagner, ich will nur meinen Vater sprechen.« Ungeschminkt und in ihrem

Weitere Kostenlose Bücher