Nachtseelen
Ware, eine Aktie, die du gut anlegen willst?«
Er schnaubte. Sein Ton wurde eine Spur kälter. »Alba, ich begreife nicht, wo das Problem liegt. Er war immer für dich da. Er sieht gut aus, und er liebt dich, glaub mir. Du wärst in guten Händen. AuÃerdem ⦠müsstest du ihn nicht allzu lange ertragen.«
Es war für sie wie ein Schlag in die Magengrube. »Ja, du hast alles einkalkuliert. Georg ist unheilbar krank, das meinst du doch, oder?«
»Mit Chorea Huntington hat er nun mal nicht die besten Aussichten. Die Ãrzte geben ihm nur noch zehn Jahre.«
Alba glaubte, sich übergeben zu müssen. Sie stand auf, obwohl ihre Beine sie kaum trugen. »Ich werde es nicht tun. Ich kann es nicht.«
»Wie bitte?«
Sie sah ihn nicht an. Würde sie es tun, könnte er mit einem Blick ihren Widerstand brechen, sie wie ihre
Mutter zwingen, sich zu verkaufen. Daran zweifelte sie keineswegs. »Mein GroÃvater hat mir sein Haus vererbt. Ich schätze, damit werde ich mich anfangs durchschlagen können.«
Schweigend trat ihr Vater zum Tisch und öffnete eine Schublade. Daraus holte er eine Mappe und hielt sie Alba entgegen. »Herzhoff hat auf sein Haus eine Hypothek aufgenommen. Er hat dir nichts hinterlassen, auÃer einem Haufen Schulden. Da will ich mal sehen, wie du dich damit durchschlagen willst. Von mir siehst du zumindest keinen Cent.«
Alba musste schlucken. Die wahren Zahlen hinter Herzhoffs Erbe kannte sie in der Tat nicht. Geld hatte für sie nie eine Rolle gespielt. Bis heute.
Sie fasste die Mappe nicht an. »Gut. Dann muss ich wohl schauen, wie ich klarkomme. Deine Cents kannst du jedenfalls behalten.«
Alba stürzte aus dem Arbeitszimmer. Lauf! Lauf, bevor er dich daran hindern kann! Sie floh die Treppe hinunter und huschte zwischen den eilenden Bediensteten durch die Halle. Erst kurz vor dem Ausgang machte sie halt. Und wo läufst du hin, dummes Mädchen? Es war so leicht, ihm »Deine Cents kannst du behalten« entgegenzuschleudern, doch sobald sie dieses Haus verlassen hatte, würde sie sprichwörtlich auf der StraÃe landen. Noch dazu von Nachzehrern und vermutlich auch von Metamorphen verfolgt. Schöne Aussichten.
»Alba!« Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Georg, der sich einen Weg zu ihr bahnte. »Warte doch!«
Nein. Ihre Gedanken rasten. Glaub mir, es ist besser für dich, wenn du nicht versuchst, mich aufzuhalten.
Mit geübtem Griff hakte der Sicherheitsmann die Kordel aus, um sie nach drauÃen zu lassen, doch auf der Schwelle blieb sie abrupt stehen, als wäre vor ihrer Nase eine unsichtbare Tür zugeschlagen. Durch die von Steckfackeln und Lichterketten in den Baumkronen erhellte Allee, die zum Haus führte, sah sie Adrián gehen.
Verflucht, er hatte sie gefunden!
DrauÃen würde es ein Leichtes für ihn sein, sie zu schnappen und ihre Erinnerungen zu löschen. Also durfte sie nicht raus. Sie musste sich unter die Gäste mischen, direkt vor den Augen so vieler würde er sich nicht trauen, sie anzugreifen.
Jemand nahm sie an der Hand.
»Alba, hör mir bitte zu!« Georg. Verdammt, begriff er nicht, was ihr Vater im Schilde führte?
Anscheinend nicht.
Und währenddessen kam Adrián immer näher.
»Alba, was ich damals gesagt habe, tut mir leid. Ich habe überreagiert, bitte verzeih mir. Dein Vater hat mir bereits erklärt, was für eine schwere Zeit du durchmachst. Ich liebe dich. Zusammen stehen wir das durch.«
Sie hörte mit halbem Ohr zu und starrte Adrián an, der sich dem Eingang näherte, als wäre er ihr Henker, der zum Schafott emporstieg. Instinktiv taumelte sie zurück, um sich im Inneren der Villa zu verstecken.
Georg zog sie in seine Umarmung und küsste ihren Scheitel. »Mein armes Mädchen.«
Alba wehrte sich nicht, lieà sich von ihm zum Saal führen, ohne das Gefühl abzuschütteln, Adriáns Blick im Nacken zu spüren.
Sie musste ihm unbedingt entkommen â ihnen beiden! Aber wie?
Kapitel 25
D ie Gesichter der Gäste verschmolzen für sie zu einer einzigen Masse. Alba eilte an die andere Seite des Saals, so weit wie möglich vom Eingang entfernt, um sich hinter den anderen zu verbergen.
»Was ist mit dir?«, stammelte Georg leicht gehetzt, tippelte hinter ihr her wie ein Dackel und entschuldigte sich permanent bei den Menschen, die sie oder er anrempelten. »Du siehst so blass
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