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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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schon einmal hier gewesen, nur wann und wo genau?
    Alba hielt das Auto an. Grübelnd trommelte sie mit den Fingern auf dem Lenkrad, bis es ihr wieder einfiel und sie auf das Gaspedal trat.
    Adriáns Kopf ruckte nach hinten, zum Glück von der Kopfstütze gepuffert. »Ich nehme an, du weißt jetzt, wohin wir müssen?«
    Â»In dieser Gegend wohnt Juliane Dwenger, Finns Oma. Wir fangen dort an.«
    Der Nachzehrer runzelte die Stirn. »Was soll er bei seiner Oma?«
    Â»Keine Ahnung. Lass uns einfach nachsehen. Oder hast du einen besseren Plan?«
    Hatte er nicht.
    Die Straßen ähnelten einander, doch Alba fand sich zurecht und steuerte ihre Corvette mit schlafwandlerischer Sicherheit zu Juliane Dwengers Adresse. Schon von weitem sah sie einen Polizeiwagen mit Blaulicht, was ihre Entscheidung nur bekräftigte. Hier stimmte etwas nicht. Das Fehlen eines Kranken- oder, noch schlimmer, Leichenwagens ließ sie hörbar aufatmen. Vielleicht war alles doch nicht so schlimm, wie Adrián es ausgemalt hatte.
    Â»Polizei …«, murmelte ihr Großonkel hingegen ganz und gar nicht erleichtert. »Das gefällt mir überhaupt nicht. Menschen haben nicht die Nase in unsere Angelegenheiten zu stecken. Ich hoffe, ich werde den Schaden
beheben können, sollten die Herren da auf etwas Ungewöhnliches gestoßen sein.«
    Alba parkte in der Nähe, ohne von den Gesetzeshütern entdeckt zu werden. Anscheinend war die Polizei nur knapp vor ihnen gekommen. Ein Beamter unterhielt sich am Streifenwagen mit zwei Nachbarn, der andere fummelte gerade am Gartentor, um auf das Grundstück zu gelangen.
    Â»Ich kümmere mich darum.« Adrián stieg aus. »Warte auf mich. Geh nicht allein da rein, wer weiß, was uns dort erwartet.«
    Sie beobachtete, wie er davonging und zu dem Grüppchen am Streifenwagen trat. Der Polizist vom Gartentor gesellte sich ebenfalls hinzu, als er den Untoten sah. Was ihr Großonkel ihnen genau sagte oder was er tat, konnte Alba auf die Entfernung nicht erkennen. Doch die Versammelten scharten sich um ihn wie Kinder um den Weihnachtsmann.
    Alba steckte das Messer von ihrem Opa ein, verließ das Auto und schlich zum Grundstück. Sie kletterte über den Zaun und rannte zwischen den Kirschlorbeersträuchern und gestutzten Rosenbüschen hindurch zum Haus. Ihre Schuhe versanken in der aufgeweichten Erde, was das Vorankommen erschwerte. Durch die milchigen Fenster des Kellers schimmerte Licht, ansonsten lag das Gebäude im Dunkeln. Wieder musste Alba an Hänsel und Gretel denken, wie damals, als sie dieses gemütliche Häuschen zum ersten Mal erblickt hatte. Knusper, Knusper, Knäuschen … Diesmal wirkte der Bau um einiges bedrohlicher.

    Die Eingangstür war nur angelehnt. Alba schlüpfte in den Flur, stolperte über irgendetwas und fiel. Ihre Handflächen schürften über die Dielen, und die Glasscherben, die überall verstreut lagen, schlitzten ihr die Haut auf. Sie erhob sich, streckte ihre Arme aus und tastete umher. In der Dunkelheit konnte sie kaum etwas sehen und stieß überall gegen zertrümmerte Möbelstücke. Ein kalter Luftzug, der vielleicht durch ein zerschlagenes Fenster hereinkam, fegte durch den Korridor. Hier hatte ein Kampf stattgefunden, keine Frage. Doch wer hatte gekämpft und mit wem? Und wo war Finn? Sie musste in den Keller gelangen, entschied sie.
    Alba tastete an der Wand entlang, bis sie eine Tür fand. Sie trat über die Schwelle und suchte nach dem Lichtschalter. Die Lampe ging an. Ein Gäste-WC. Na klasse.
    Allerdings konnte sie sich dank dem Licht, das jetzt auch in den Flur fiel, etwas besser orientieren. Zwei Meter entfernt entdeckte sie eine weitere Tür, die offen stand. Dahinter führte eine Treppe mit sichtlich abgenutzten Stufen nach unten. Eine Blutspur zeichnete den Weg.
    Alba fuhr mit den Fingern darüber. Das Blut war frisch, hatte allerdings bereits begonnen zu gerinnen. Und es gab hier reichlich davon. Mehr, als ihr lieb war. Wenn es von Finn stammte, dann dürfte er nicht mehr am Leben sein.
    Stopp!, rüttelte sie ihren Verstand auf. Er ist nicht tot. Schon vergessen?

    Er konnte einfach nicht tot sein …
    Sie umklammerte den Messergriff fester. Angesichts ihrer angstfeuchten und abgeschürften Hände fürchtete sie, er würde ihr entgleiten. Alba trat auf die Treppe und musste sich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

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