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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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sich mit den Armen abstützte und auf die Beine kam.

    Taumelnd stand sie über ihm. Nichts Menschliches weilte mehr in diesem Körper. Nur der Dämon, der sich an das tote Fleisch klammerte und nach dem frischen verlangte.
    Mit einem gurgelnden Geräusch stürzte sich das, was von Juliane Dwenger übrig geblieben war, auf ihn, zerriss sein T-Shirt und grub ihm ihre dritten Zähne in die Schulter.

Kapitel 28
    A lba rannte aus dem Saal, schubste die Menschen beiseite, die ihr im Weg standen. Diejenigen, die Pech hatten, bekamen einen Hieb in die Rippen. In ihrem Rücken hörte sie das wehleidige »Alba, Alba!« ihrer Mutter.
    In der Eingangshalle stieß sie mit ihrem Vater zusammen, der, wohl alarmiert durch die Unruhe im Saal, gerade die Treppe herabkam. Sein etwas hilfloses, ihm ganz und gar nicht ähnliches »Was ist denn los?« bedachte sie mit keiner Antwort.
    Alba stürmte in den Garten, rief den Namen des Vogels und spähte in den Nachthimmel.
    Â»Wo bist du? Zeig dich mir! Du bist doch zu mir geflogen, um mich zu Finn zu führen, oder? Es ist noch nicht zu spät. Es kann nicht zu spät sein!« Den Kopf in den Nacken gelegt, bis ihr das Genick wehtat, tappte sie im Kreis, ohne das Tier zu entdecken. Es würde doch nicht wieder weggeflogen sein?
    Da – in der Nähe raschelte etwas. Oder war es dort drüben? Sie bahnte sich einen Weg durch den Garten und bemühte sich, im spärlichen Licht irgendetwas zu erkennen. Die nackten Äste der Bäume, mit Lichterketten
geschmückt, gemahnten an einen Märchenwald, der von einer bösen Hexe verzaubert worden war.
    Â»Athene!«, rief sie in die Nacht. »Athene!« Je mehr Zeit verging, desto weniger Hoffnung blieb ihr, den Vogel zu finden.
    Als hinter ihr ein Flattern ertönte, fuhr sie erschrocken herum. Ein Schatten schoss auf sie zu, die Krallen kratzten über ihre Kopfhaut und zerrten an ihren Haaren. Der Vogel flog einen Kreis und attackierte sie erneut. Alba schrie auf, schlug die Arme vor das Gesicht und duckte sich. Der Rotmilan prallte gegen ihren Rücken, fiel zu Boden, um sich dann schnell wieder aufzurappeln. Er ist verrückt geworden, huschte es durch ihren Kopf, doch dann erkannte sie, was dahintersteckte. Oder zumindest hoffte sie darauf, die Aktion richtig gedeutet zu haben. Das Tier wollte sie nicht angreifen. Es wollte sie nur in Bewegung setzen, sie in die richtige Richtung schubsen. Auf seine etwas plumpe Art und Weise.
    Â»Ist gut, okay. Zeig mir den Weg. Ich komme mit, wenn du mich führst.«
    Â»Du gehst nirgendwohin.« Die Stimme aus der Dunkelheit schien ihr Inneres erfrieren zu lassen. Als sie eine Silhouette auf sich zukommen sah, stolperte Alba zurück und wäre hingefallen, wenn Adrián nicht plötzlich neben ihr aufgetaucht wäre und sie gestützt hätte. Sie sah ihn an, nicht dankbar und nicht ängstlich, sondern mit einem neu erwachten Kampfgeist. Jetzt war es egal, ob er ihre Erinnerungen manipulieren würde, denn ohne Finn waren sie ihr nichts wert.

    Im Schein der Lichterketten wirkte sein Gesicht gespenstisch, das Dunkelblau der Augen schimmerte gefährlich. Er verschmolz mit der Dunkelheit, als wäre er bloß ein Phantom. Alba hätte ihn gefürchtet, wäre sie noch imstande gewesen, Schrecken zu empfinden. Doch das einzige Gefühl, das sich in ihr regte, war die Angst um Finn.
    Adrián nahm sie am Ellbogen, als wolle er sie fortführen. Wut stieg in ihr auf.
    Â»Er ist nicht tot!« Mit Fäusten traktierte sie seine Brust. »Er ist nicht tot, hörst du mich? Ich werde ihn retten, und du wirst mich nicht aufhalten.« Sie schlug auf ihn ein, bis sie keine Kraft mehr hatte, und rief: »Er ist nicht tot«, bis ihre Kehle schmerzte und sie zu krächzen begann. Dann sackte sie auf dem Boden zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Als Alba endlich aufschaute, bemerkte sie, dass Adrián nicht sie, sondern den Vogel beobachtete. Bald konnte sie den Rotmilan nicht mehr ausmachen, doch der Untote schien ihn noch immer mit den Augen zu verfolgen.
    Â»Das sieht übel aus«, sagte er mit seiner dunklen, tiefen Stimme. »Als ich Johannes gefoltert habe, hat sich sein Fuchs ähnlich verhalten. Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich darauf hoffen sollten, dass Finn noch lebt. Es gibt Fälle, in denen der Tod einfach humaner ist.«
    Sie verschwendete keine Zeit auf eine Antwort und

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