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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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Darauf bedacht, nicht auszurutschen und keinen Lärm zu verursachen, stieg sie Stufe um Stufe tiefer.
    Im Vorraum bahnte sie sich einen Weg durch Vorratsdosen, die wie von einem Tornado von den Regalen gefegt waren. Einen Raum weiter befand sich die Waschküche. Die Waschmaschine schleuderte, der Trockner piepte, weil der Behälter für das Kondenswasser voll war. Ob in diesem Haus überhaupt noch jemand am Leben geblieben war, der sich darum kümmern konnte?
    Dann hielt die Waschmaschine inne, als hätte sie Albas Gegenwart gespürt, und in der Stille vernahm Alba ein Gurgeln und ein schmatzendes Geräusch, das ihr Gänsehaut bescherte. Sie drückte auf den Knopf und ließ die Klinge hervorschnellen. Mit einem Finger prüfte sie die Spitze, als wolle sie sich vergewissern, dass das Messer echt war.
    Vorsichtig trat sie um die Ecke und erstarrte, unfähig, auch nur einen weiteren Schritt zu tun.
    Finn lag auf dem Boden. Ob er noch lebte oder nicht, konnte sie nicht erkennen, denn eine Frauengestalt beugte sich über ihn und verdeckte ihn fast vollständig.
    Zumindest musste das früher eine Frau gewesen sein. Jetzt war wenig von ihr übrig geblieben. Die Gesichtshälfte, die dem Eingang zugewandt war, existierte nicht
mehr. Statt einer Wange klaffte dort ein Loch mit hängenden Fleischfetzen, durch die Alba Reste von Kieferknochen sah, die Schädeldecke war zertrümmert, das Auge fehlte.
    Das Wesen hob den Kopf, stieß ein Gurgeln hervor und biss in Finns Schulter. Es zerrte an dem Fleisch, ohne etwas davon abreißen zu können, was es immer wütender machte.
    Alba dachte nicht nach, sie stürzte auf die Kreatur zu und rammte ihr das Messer in den Hals. Die Gestalt grollte und wandte sich ihr zu. Erst an der anderen Gesichtshälfte erkannte Alba Juliane Dwenger. Eine tote Juliane Dwenger, deren Körper sich steif bewegte, ohne auch nur einen Hauch Leben in sich zu tragen.
    Das Wesen stand auf, hob die Arme mit den dürren Fingern, die wie Krallen hervorstanden, und stakste zurück. Nach wenigen Schritten kippte es rücklings um wie ein abgesägter Baum.
    Mehrere Herzschläge lang wartete Alba, was weiter passieren würde. Doch das Wesen rührte sich nicht. Vorbei.
    Alba fiel vor Finn auf die Knie. Als sie sein aschfahles Gesicht erblickte, kam ihr der gleiche Gedanke noch einmal. Vorbei … Sie war zu spät gekommen.
    Dann hörte sie seinen Atem. Flach und schnell, aber er war noch am Leben!
    Vor lauter Glück konnte sie sich nur mit Mühe davon abhalten, ihn in die Arme zu schließen und ihn an sich zu drücken. Sie strich ihm über die Wange und rief ihn
bei seinem Namen, den sie niemals stotterte, der für sie im Moment zu einem Gebet wurde.
    Finns Lider flatterten. Er sah sie an. Ein erschreckend leerer Blick traf den ihren. Ein Blick ohne jegliche Hoffnung.
    Er bewegte die ergrauten Lippen, versuchte etwas zu sagen, was sie kaum verstand. Nur mit Mühe erfasste sie zwei Worte: »Nicht … tot …«
    Ihre Augen brannten von den Tränen, die ihr nicht kommen durften. »Ja, ich weiß. Du bist nicht tot und wirst auch nicht sterben.« Behutsam fasste sie seine Hand, die sich feucht und eiskalt anfühlte.
    Â»Jul…« Die Lider fielen ihm zu. Er furchte die Stirn, sein Atem stockte, dann gelang es ihm, den Kopf leicht zu drehen und wieder aufzuschauen. »Nicht … tot … Lauf!«
    Â»Was redest du da? Ich werde dich keinesfalls hier zurücklassen!«
    Knochige Finger bohrten sich in Albas Schulter und rissen sie mit einer solchen Wucht von Finn fort, dass sie über den Boden schlitterte und gegen einen Werkzeugschrank prallte. Alba keuchte, versuchte sich aufzurappeln, wurde aber durch einen gezielten Schlag in die Rippen auf den Rücken geworfen. Dann folgte ein Tritt in den Bauch, und gleich darauf warf sich die Tote auf sie. Alba mühte sich, das Monster von sich zu stoßen, doch mit demselben Erfolg hätte sie versuchen können, einen Kleinwagen hochzustemmen. Das Wesen schmatzte, bleckte die Zähne und biss ihr seitlich in den Hals.

    Alba packte den Griff des Messers, das noch in der Kreatur steckte, zerrte die Waffe heraus und hieb sie der Bestie in den Rücken. Ein Mückenstich hätte vermutlich mehr Wirkung erzielt. Die Tote knurrte und verbiss sich noch fester in ihren Hals. Es gelang der Kreatur offenbar nicht, zu kauen, und so versuchte sie es mit

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