Nachtseelen
erhob sich. Er ging zum Werkzeugschrank, stemmte sich dagegen, doch das Möbelstück bewegte sich kaum einen Zentimeter weiter. »Ich schaffe es nicht allein, ich habe einfach nicht genug Energie.«
Alba küsste Finn leicht auf die Stirn. »Bin gleich wieder da.«
Er verlor keinen Ton. Er musste seine Kräfte schonen, und das sollte er auch, sie verlangte keine Antwort von ihm.
Alba eilte zu Adrián. Zusammen und in mehreren Anläufen schafften sie es, den Schrank zur Seite zu rücken. Dahinter führte ein schmaler Gang in einen weiteren Raum. Alba bewegte sich in der Enge vorwärts. Der Untote folgte ihr.
Sobald sie das Verlies betrat, ertönte ein wütendes Bellen, und ein riesiges Tier, das sie in der Finsternis nicht weiter erkennen konnte, stürmte auf sie zu. Alba wich zur Seite aus, drängte sich in eine Ecke. Sie hörte das Gebell und das Schnappen der Zähne, spürte einen
Luftzug auf ihrer Haut. Jeden Moment erwartete sie, in Stücke gerissen zu werden. Doch irgendetwas hielt die tobende Bestie zurück.
Adrián schritt in den Raum, und durch den Gang fiel etwas Licht aus dem Keller herein. Alba erblickte einen Hund, oder vielleicht einen Wolf, der mit einem zerfransten Strick an einem Ring in der Wand festgebunden war. Sein grau-braunes Fell stand in alle Richtungen. Vor dem Maul schäumte Speichel und tropfte auf den Steinboden. Das Tier war krank. Genauso krank wie die Tiere in dem Keller, in dem sie festgehalten worden war! Die Erinnerungen drängten sich in ihr Bewusstsein.
Strolch, hilf mir! , hätte sie beinahe gerufen, nur war diesmal sie es, die helfen musste.
»Akash«, murmelte Adrián überrascht.
»D-du kennst ihn?« Wieder begann sie zu stottern, zwang sich jedoch zur Ruhe. Der Strick hielt das rasende Tier zurück. Sie hatte nichts zu befürchten. Noch nicht.
»Er war Kilians Seelentier. Einmal hat der Hund mir die Schlagader durchgebissen und mich beinahe ins Jenseits befördert. Ich hatte nicht erwartet, ihn jemals wiederzusehen.«
Sehr beruhigend. Und sie hatte geglaubt, er könne die Bestie besänftigen.
In kurzen Pausen zwischen dem Gebell vernahm Alba ein Wimmern. Sogleich war der Hund für sie nicht mehr von Bedeutung. Finn hatte Recht, in diesem Verlies wurden Kinder festgehalten! Bloà ⦠was meinte er
damit, als er die Hexen erwähnte? Egal. Das sollte sie ihn lieber später fragen.
An der Wand entlang tastete Alba sich voran. »Es wird alles gut, habt keine Angst«, redete sie in die Dunkelheit. »Euch geschieht nichts.«
In einer Ecke entdeckte sie zwei Mädchen, etwa sieben Jahre alt, aneinandergedrängt und fest umschlungen. Sie streckte ihnen ihre Hand entgegen. »Kommt, es ist vorbei. Alles wird gut, ihr werdet bald zu Hause sein.«
Die Mädchen rührten sich nicht. Sie blickten Alba nicht einmal an, die Gesichter von ihr abgewandt und vermutlich die Augen zusammengekniffen. In der kindlichen Hoffnung, wenn sie selbst diese Monster nicht sehen konnten, würden die Monster sie umgekehrt auch nicht entdecken.
Alba fasste die beiden an den Armen. »Kommt, ich bringe euch hier raus. Vertraut mir.«
Eines der Mädchen kreischte, schlug und trat um sich. In seiner Panik gelangte es etwas weiter in den Raum. In die Reichweite des Hundes.
Dieser stürzte sich auf sein Opfer. Er hätte die Kleine sicherlich zerfetzt, wenn Adrián sich nicht dazwischengeworfen hätte. Statt in das Fleisch des Kindes schlug der Hund die Zähne in den Unterarm des Untoten. Der Nachzehrer rang mit dem Tier auf dem Boden, bis es ihm gelang, den Kopf des Hundes brutal nach hinten zu reiÃen. Es knackte. Akash streckte sich aus und regte sich nicht mehr.
Schwer atmend rollte sich Adrián auf den Rücken. »Noch so einen Kampf werde ich nicht überstehen.«
»Musst du auch nicht. Es ist vorbei. Kommst du noch auf die Beine? Denn ich kann dich nicht tragen.«
»Ja. Das schaffe ich. Gerade so.«
Die Mädchen hörten auf zu kreischen. Mit leeren, weit aufgerissenen Augen starrten sie auf die Hundeleiche. Alba nahm das eine bei der Hand. »Am besten, wir bringen die beiden so schnell wie möglich weg von hier.«
»Ich habe den Polizisten da oben aufgetragen, niemanden zum Haus zu lassen. Die sind also noch da und werden sich um die Kleinen kümmern.« Er ergriff die Hand des zweiten Mädchens.
Zusammen geleiteten sie die beiden
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