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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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erlitten haben.« Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich bin es müde zu kämpfen. Verstehst du?«
    Â»Wie könnte ich?«, entgegnete er betont demütig, um den Anschein der Ergebungsbereitschaft zu wahren.
    Â»Wie könntest du!«, seufzte sie und befahl ihm mit einer Geste, fortzufahren.
    Mit Freude ergriff er die Gelegenheit, das Gespräch in sicherere Gewässer zu lenken. »Nun, Oya ist sprachgewandt und kann so gut wie jeden mit der Macht der Worte überzeugen. Sie verkörpert Leidenschaft. Man bezeichnet die Neun als ihre Zahl, ihre Farbe ist Weinrot, ihre Symbole sind Spirale und Punkte.«
    Linnea hob den Kopf, und ihr Ton wurde eine Spur kühler. »Man? Was interessiert mich, was ›man‹ sagt! Was meint Hermann Herzhoff dazu?«
    Â»Zu ihm komme ich gleich. Er hat äußerst interessante Ansichten, was Götter angeht.« Finn betrachtete, um nicht Linnea ansehen zu müssen, einige Mäuse, die über den Rindenmulch hüpften und um Efeuranken in einer Ecke wuselten. Dann fiel ein Schleier vor seine Augen, und er nahm bloß noch helle und dunkle Flecken wahr.

    Â»Interessante Ansichten? Dass die Mächtigen – oder wie die Menschenbrut sie nennt: Hexen – in Wirklichkeit Götter des Altertums sind?« Linnea winkte ab. »Du weißt wirklich noch zu wenig über unsere Welt. Als die Menschen aufhörten, an sie zu glauben, verloren die alten Götter ihre Macht. Einige schliefen ein, die anderen kamen auf die Erde. Um hier weiterexistieren zu können, müssen sie in Menschenkörpern leben und deren Seele töten.«
    Â»Ich dachte immer, eine Seele wäre unsterblich.«
    Seine Sehschärfe kehrte zurück, hundertfach stärker als zuvor, und Finn registrierte die Beute. Nein, nicht die seine, aber einen Leckerbissen für den Rotmilan. Eine Maus entfernte sich von ihrem Grüppchen und hopste unter den Ast, auf dem Smaragda ruhte. Die Schlange züngelte, ließ sich ein Stück vom Ast herab und schmeckte die Luft. Auch sie witterte das Opfer. Finn hatte nicht vor, es ihr streitig zu machen.
    Â»Im Prinzip schon«, antwortete Linnea, »aber sie wird vertrieben, aufgelöst. Doch du bist hier nicht, um Nachhilfe im Fach Weltordnung zu bekommen. Was hat Hermann über Oya geschrieben?«
    Â»Hermann Herzhoff hatte wohl eine Vorliebe für alle Götter, die irgendeine Verbindung zum Totenreich besaßen.«
    Linnea verdrehte die Augen. »Wen wundert’s?«
    Die Schlange erreichte den Boden und kroch, immer noch züngelnd, auf die Maus zu, die den sich anschleichenden Tod nicht bemerkte. Lauf fort, beschwor Finn
den Nager und schnippte ein Stück Rinde nach ihm. Doch sein Wurfgeschoss war zu leicht, um das Tier zu erreichen.
    Â»Anscheinend hat ihn Kali viel mehr interessiert«, sagte er weiter, ohne sich von der Maus und der Schlange abzuwenden. »Doch er hat einst versucht, auch mit Oya in Kontakt zu treten. Auf dem Dachboden habe ich Trommeln gesehen, und in den Notizen stand, er spielte damit den Oya-Rhythmus, um sich in Trance zu versetzen und mit der Göttin zu kommunizieren. Dafür hätte sie in seinen Körper fahren, ihn als eine Art Medium benutzen müssen. Doch was daraus geworden ist, weiß ich nicht.«
    Â»Was für ein Narr! Ich wundere mich, dass ihm nicht früher schon eine Mächtige den Garaus gemacht hat. Niemand darf eine Gottheit belästigen, und wenn sie zu einem kommt, dann erwartet man keine Gnade.« Die letzten Worte sprach sie kaum hörbar, als fürchtete sie sich selbst vor dem Zorn einer Hexe.
    Finn hob eine Augenbraue. »Eine Mächtige hat den alten Professor umgebracht?«
    Â»Du stellst zu viele Fragen. Es gibt Dinge, die dich nichts angehen«, wies sie ihn zurecht. Es verunsicherte ihn, wie herrisch ihre Stimme klang. Keine Spur mehr von ihrer kürzlichen Anhänglichkeit.
    Einem Blitz ähnlich schnellte die Schlange auf die Maus zu und stieß die Giftzähne tief in das Fleisch des Tieres. Schrill fiepte der Nager auf, und sein Körper begann zu krampfen, während sich das Gift mit jedem
Herzschlag weiter durch seine Adern verbreitete. Der Kampf um Leben und Tod dauerte nicht lange an, und der Tod gewann. Nach einem letzten Spasmus streckte sich das Tier aus, und sein Darm entleerte sich auf ein Efeublatt. Finn wünschte sich, er müsste all das nicht so deutlich sehen, aber seine Augen hatten

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