Nachtseelen
Abstellkammer. Dann klopfte sie ihren Kimono ab und setzte sich unter eine Palme. Die feuchte Seide klebte an ihrem Körper und lieà den straffen Busen und die hervorstehenden Brustwarzen erahnen. Ihre Haut glänzte, am Haaransatz perlte der SchweiÃ.
Sie tauchte ihre Hand in den Miniatur-See und wischte sich über die Stirn. Die Tropfen rannen an ihrem Hals herunter und verschwanden im Ausschnitt.
»Was hast du für mich?«, raunte sie Finn zu, sichtlich amüsiert über sein unwillkürliches Gaffen.
Er setzte sich zu ihr auf den Boden. Die schwüle Luft lähmte seine Gedanken, und er musste sich sammeln, um auf das Thema zu kommen. »Es geht um Oya. Ich habe einiges zusammengetragen.«
»Ich bin ganz Ohr.« Sie neigte den Kopf und flocht ihr Haar zu einem losen Zopf. Glücklicherweise versuchte sie nicht, ihn wieder unter ihren Einfluss zu bringen, vermutlich in dem Glauben, die Wirkung ihrer letzten Machtdemonstration hielte noch an.
»Sie ist eine Elementargöttin, eine der Orishas, die zwischen den Menschen und dem Olorun, dem allmächtigen
Gott der Yoruba, vermitteln«, begann Finn und hoffte, damit seine Unsicherheit zu übertünchen. Denn jetzt starrten nicht nur die Schlangenaugen ihn an, sondern auch Linnea, die ihm noch einiges mehr an Furcht einflöÃte. »Seine Kraft ist so stark, dass niemand sich an ihn direkt wenden darf, um von seiner Macht nicht zerschmettert zu werden. Oya ist die Göttin der Wirbel- und Regenstürme und die Gebieterin über den Fluss Niger. Ursprünglich soll sie über Meere geherrscht haben, aber Yemaya, eine andere Göttin, soll sie hinterlistig zu einem Tausch bewegt haben. Nun bewacht Oya die Schwelle zur Totenwelt.«
»Totenwelt? Interessant.« Linnea legte sich auf die Seite und stützte sich mit dem Ellbogen ab. Der Kimono rutschte ihr von der Schulter und entblöÃte die blasse Haut, die fast durchscheinend wirkte. Wollte sie ihn verführen? Oder war es einfach nur ein Spiel, das sie vor Langeweile mit ihm trieb, um zu sehen, wie er auf ihre Reize reagieren würde?
»Sie liebt Tänze, ganz besonders Kriegstänze«, fuhr Finn standhaft fort, »ist sehr sprachgewandt und Frauen wohlgesonnen. Allerdings ist sie von cholerischem Gemüt und neigt zu Wutausbrüchen. Man sagt, sie verkörpert den puren weiblichen Zorn, fühlt sich aber zu starken Männern hingezogen.«
»Zu starken Männern hingezogen â¦Â« Linnea schlug die Augen nieder. Ihre Brust hob und senkte sich schneller. »Ich bin so einsam, Finn. Wenn du nur wüsstest, wie einsam ich bin!«
Die Worte trafen ihn so unvorbereitet, dass er unwillkürlich japste. »Was?«
Sie drehte sich auf den Rücken und legte den Kopf in seinen SchoÃ. Er wagte es nicht, sich zu rühren, als wäre sie eine reiÃende Bestie, die ihn jeden Moment zerfetzen wollte.
»Ich weià nicht, warum ich dir das erzähle«, schnurrte sie und strich mit der Hand über seinen Oberschenkel. »Du bist irgendwie anders, weiÃt du das? Zuerst denkt man, du wärst einfach nur ein Witzbold, der das Leben auf die leichte Schulter nimmt â¦Â«
»Na danke«, entfuhr es ihm.
»⦠aber dann merkt man, dass unter der Maske der Unbeschwertheit mehr steckt.« Sie drehte sich und fuhr ihm mit dem Daumen über die Lippen. »Wir sind einander ähnlich, nicht wahr? Ich habe dich beobachtet. Wenn du denkst, allein zu sein, wirkst du sehr traurig. Welche Bürde trägst du mit dir herum?«
Die Luft füllte seine Lunge wie flüssiges Blei. Er hob Linneas Kopf von seinem SchoÃ, legte ihn vorsichtig auf dem warmen Sand ab, stand auf und machte instinktiv einige Schritte rückwärts, um einen Abstand zwischen Linnea und sich zu bringen.
Sie wandte sich auf den Bauch. Ihr entrüsteter Blick schien ihn aufzuspieÃen.
»Meine Beine sind eingeschlafen«, murmelte er und wusste selbst, wie dämlich die Ausrede klang.
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, bildeten eine einzige dünne Linie. »Ich habe schon so viel für die
Gemeinschaft getan, warum darf nicht auch ich glücklich sein? Ich habe meine Untertanen nach Hamburg geführt, die hiesige Königin besiegt und meinen Leuten ein sicheres Leben geschenkt. Bis vor kurzem haben sogar die Totenküsser es nicht gewagt, uns offen anzugreifen. Wir waren stark und sind es immer noch, auch wenn wir Verluste
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