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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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sich für heute endgültig auf die Sicht eines Greifvogels eingestellt.
    Die Schlange züngelte über den bewegungslosen Körper, dann hängte sie ihren Unterkiefer aus und stülpte sich über ihren Leckerbissen. Wie ein Strumpf zog sie sich über die Beute, schob zuerst den linken, dann den rechten Mundwinkel weiter, bis nur noch die Schwanzspitze aus dem Maul herausragte. Mit der nächsten Muskelkontraktion war auch die verschwunden.
    Â»Faszinierend, nicht wahr? Diese Grazie, diese Selbstsicherheit bei der Jagd – ich werde es nie müde, Smaragda dabei zu beobachten.« Linnea lächelte Finn an, und ihre blassgrünen Augen glitzerten auf. Es kam ihm vor, als würde sie sich gleich – wie ihr Liebling sich zuvor auf die Beute – auf ihn stürzen und ihr Gift in seine Adern spritzen, um sich an seinen Todeskrämpfen zu ergötzen.
    Die anderen Mäuse waren bei dem Todesschrei ihres Gefährten zusammengeschreckt, doch schon in der nächsten Sekunde wuselten sie unbeeindruckt weiter, während die Schlange sich das nächste Opfer aussuchte.
    Finns Nacken kribbelte verräterisch. In der Gemeinde fühlte er sich stets wie eine solche Maus. Wann würde er ins Visier der Schlange geraten?

    Dann spürte er Hände an seinem Hals. Linnea war an ihn herangetreten und streichelte ihn. Er versuchte, sich ihr zu entziehen, doch sie packte ihn am Haar und hielt seinen Kopf fest. »Du hast gute Arbeit geleistet und mir wichtige Informationen gebracht. Dennoch bin ich etwas beunruhigt.«
    Â»Warum?«
    Â»Dieses Mädchen auf dem Dachboden – muss ich mir Sorgen machen?«
    Ihm rutschte das Herz in die Hosentasche. War Linneas Geist in der Schlange gewesen, als er mit Alba die Kartons durchsuchte? Hatte die Königin doch etwas bemerkt?
    Â»Nein, musst du nicht«, antwortete er schnell. Vielleicht zu schnell.
    Sie zerrte an seinem Haar und brachte sein Gesicht nah vor das ihre. »Vergiss nicht, wem du gehörst, Finn. Ich werde keinem Weibsstück erlauben, dich mir zu nehmen. Eine Menschenfrau bringt einem wie dir nichts als Unglück. Oder hat Kilian dir etwa nicht von Sebastian erzählt?« Plötzlich ließ sie ihn los und strich ihm den Pony beiseite. »Und ich kann doch nicht erlauben, dass meine Schützlinge wegen irgendeines dahergelaufenen Flittchens leiden. Wenn nötig, räume ich den Störenfried aus dem Weg.«
    Â»Das ist nicht nötig«, erwiderte Finn, und sein Ton ähnelte einem Krächzen. »Dieses Mädchen … bedeutet mir nichts. Ich habe es nur benutzt, um an die Notizen des Professors zu gelangen.«

    Â»Braver Junge.« Sie umschloss mit beiden Händen seine Wangen und küsste ihn. Ihre Zunge drang in seinen Mund, und er glaubte, daran zu ersticken.
    Â 
    Finn wusste nicht, wie er aus der Wohnung geflohen war. Wieder richtig zu sich kam er erst auf der Straße. Den Kragen seiner Jacke hochgestellt, eilte er davon. Linneas Kuss schien noch an seinen Lippen zu kleben, und er würgte, sobald er daran dachte. Fort, er musste fort von hier. Jeder Wahnsinn, der ihn befallen sollte, jede Klapsmühle kam ihm erträglicher vor als sein jetziges Dasein, da er Linneas Launen ausgeliefert war.
    Erst nach einer Weile verlangsamte er seinen Schritt. Mit der Entscheidung, die Gemeinde zu verlassen – gleich heute! -, atmete er auf. Noch konnte er kämpfen, vielleicht würde es ihm gelingen, sein Schicksal zu wenden. Nur durfte er sich nicht aufgeben.
    Er dachte an Kilian und an das wenige, was sein Mentor ihm beigebracht hatte.
    Deine Mutter hätte dich als einen Anwärter vorbereiten müssen , hatte der erfahrene Metamorph ihm einst gesagt. Zu den Anwärtern zählten diejenigen, die noch keine Verbindung mit ihrem Seelentier eingegangen waren, nicht von der Königin initiiert waren und somit noch nicht fest zu der Gemeinde zählten. Die Eltern brachten ihren Sprösslingen alles Nötige bei, wie sie ihre Seelentiere finden sollten und wie sie die Verschmelzungen steuern konnten, ohne in Wahnsinn zu verfallen.
Die seinen hatten es versäumt. Doch noch blieb ihm Hoffnung. Vielleicht hatte seine Oma früher der Gemeinde angehört? Vielleicht wusste sie, wie er sich gegen die Königin wehren und allein zurechtfinden konnte? Er musste sie aufsuchen. Hoffentlich würde sie ihm nicht die kalte Schulter zeigen, denn er konnte sich nicht daran erinnern, wann er

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