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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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meisten anderen dienten ihm nur als Fickfleisch.«
    Alba keuchte. Sie bekam kaum Luft, ihr Körper schlotterte vor Kälte. Die Worte, die sie aussprach, verstand sie selbst kaum noch: »Das ist nicht wahr.«
    Â»Doch, doch«, flüsterte die Frau, und ihr warmer Atem strich über Albas Hals. »Hast du für ihn schon die Beine breit gemacht? Nein? Das wird’s sein. Er mag Freiwild, das nicht so einfach ins Bett zu holen ist.« Sie hob den Kopf und rief in die Nacht: »Sag es ihr, Finn. Erzähl ihr die Wahrheit über dich!«
    Alba wollte nicht weinen, tat es aber dennoch. Durch Tränen mühte sie sich, seine Silhouette zu erspähen, doch Finn war verschwunden.
    Alba schloss die Augen. Sie fühlte sich verraten. Wie von ihrer Mutter, die sie nicht haben wollte. Wie von ihrem Großvater, der sie womöglich an einen Verbrecher
verkauft hatte … Aus welchem Grund hatte sie geglaubt, bei einem Fremden Geborgenheit zu finden, wenn sogar diejenigen, die ihr nahestanden, sie zurückgewiesen hatten? Nur Georg war immer für sie da, und das Leben mit ihm brachte zwar wenig Aufregung, aber dafür Sicherheit. Warum musste sie das so spät erkennen?
    Wut packte sie. Nein, eine Maid in Not wollte sie nicht spielen. Mit einem Finger stach sie nach hinten und traf ihrer Gegnerin tatsächlich ins Auge. Der Überraschungsmoment war auf ihrer Seite. Die Frau ließ sie los, und Alba rannte davon. Sie bog gerade um die Ecke des Hauses, als ihr von irgendwo oben die Katze in den Nacken sprang.
    Alba stolperte und fiel zu Boden. Zwischen ihren Fingern quoll der Schlamm hervor. Die Krallen zerfetzten ihr das Negligé und schlitzten ihr die Haut am Rücken auf. Sie wälzte sich im Dreck, um das Tier abzuschütteln. Vergebens. Ihre klammen Finger ertasteten einen Stein, und sie drosch damit auf den Schädel der Katze ein, allerdings nicht kräftig genug. Die Bestie ließ nicht von ihr ab.
    Das musste ein Alptraum sein! Alba wimmerte und schlug die Arme über ihrem Kopf zusammen. Sie würde gleich aufwachen. Sie musste es!
    Vom Himmel stürzte der Vogel herab und grub seine Klauen in die Katze, die sich sogleich dem neuen Feind zuwandte und versuchte, den Rotmilan mit den Pranken zu erwischen. Doch diesmal beherrschte der Vogel sein Element sehr gut. Er tanzte in den Lüften, schien
mit seinem Gegner zu spielen und lockte die Katze immer weiter fort.
    Alba zog sich an der Wand hoch. Sie fühlte kaum ihre Gliedmaßen, die kalte Luft brannte in ihrer Lunge. Nur eines hielt sie auf den Beinen und drängte sie vorwärts: Der Wunsch zu fliehen, diesem Irrsinn zu entkommen. Benommen machte sie einige Schritte. Ihre Beine gaben nach, und sie fiel – fiel in eine Umarmung.
    Â»Keine Angst, ich habe dich. Dir wird nichts passieren.«
    Finn. Sie spürte die Wärme seines Körpers. Seine Arme, um ihre Taille geschlungen. Wie damals vor der Kapelle. Sie klammerte sich an seinen Hals und drückte ihr Gesicht gegen seine Brust. Er war da, um sie zu retten, er hatte sie nicht im Stich gelassen.
    Â»I-ist …« Den Satz auszusprechen fiel ihr noch unendlich viel schwerer als sonst: »Ist es wahr, was die Frau da gesagt hat?«
    Verrückt. Die Katze kämpfte mit dem Vogel, ihr Frauchen war ihnen bestimmt auf den Fersen, aber sie, Alba, interessierte sich nur dafür, ob ein Mann, den sie mochte, sie belogen hatte? Doch das musste sie wissen. Jetzt, sofort.
    Alba forschte in seinem Gesicht, dessen Züge sie im Dunkeln kaum erkennen konnte. Hast du mich hintergangen? Hast du es?
    Finn schwieg. Hätte er Nein gesagt, hätte er sie hier und jetzt wieder belogen, hätte sie ihm blind geglaubt, weil sie ihm glauben wollte. Aber er schwieg.

    Noch nie tat ihr ein Schweigen so weh. Sie stemmte ihre Hände gegen seine Brust, wollte sich seinem Griff entziehen, der sich schmutzig anfühlte, als würde seine Berührung sie besudeln. Doch sie war zu schwach, um sich ernsthaft gegen ihn zu wehren. Er wickelte sie in seine Jacke ein. »Ich bringe dich in Sicherheit. Komm.«
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Alba, wie das Rattenmädchen an dem Rhododendrongebüsch entlangschlich. Neben ihm her huschte der Nager. Weiter hinten erschien Micaela, und das Mädchen griff die Frau an. Seine Bewegungen wirkten gezielt und kräftig, es schien tatsächlich Erfahrung im Kämpfen zu haben.
    Der Wind tobte durch den Garten, rüttelte an

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