Nachtseelen
GroÃvaters konnte sie keinen klaren Laut von sich geben. Die Panik würgte die Worte in ihrer Kehle ab, die Laute klumpten in ihrem Hals wie der GrieÃbrei einer schlechten Köchin.
»Hallo? Haben Sie ein Problem?«, drängte der Mann am anderen Ende.
Alba kämpfte gegen Verzweiflung und Tränen. Bitte helfen Sie mir! , wollte sie herausschreien, aber nur ein Wimmern kam ihr über die Lippen. Sie keuchte vor Anstrengung, doch das Einzige, was sie hervorpresste, war ein undeutliches »Bttttchss«.
»Hallo? Was ist passiert? Hallo?«
In der Küche kratzten die Krallen an der Tür. Das Tier warf sich gegen das Holz, um mit den Pranken an die Klinke zu gelangen. Alba schleuderte den Hörer von sich, floh in den Flur und eilte zur Eingangstür. Sie stolperte nach drauÃen, gerade in dem Moment, als die Katze sich aus der Küche befreite.
Der Herbstwind zerrte an ihrem Negligé und wirbelte ihr Haar durcheinander. Sogleich fror sie. Sie musste zu den Nachbarn laufen und dort Hilfe holen! Alba hetzte durch die Nacht. Nach wenigen Schritten wurden ihre FüÃe von der eiskalten Erde taub. Sie hörte ihre Zähne klappern.
»Wohin so eilig, meine Hübsche?«
Am Gartentor schnitt die Frau ihr den Fluchtweg ab. Im Licht der StraÃenlaternen wirkte sie noch gröÃer und bedrohlicher, als Alba sie in Erinnerung hatte. Eine schwarze Hose betonte ihre langen Beine, und die Jacke mit den gepolsterten Schultern machte ihren Oberkörper noch stämmiger.
Alba lieà die Klinge hervorspringen. Mit beiden Händen hielt sie den Griff und führte das Messer gegen ihre Gegnerin. »I-i-ich ⦠V-v-vgl â¦Â«
Die Unbekannte winkte lässig ab. »Mach dir um den Geier keinen Kopf, SüÃe. Der kommt von allein angeflattert, glaub mir. Eines muss man dem Grünschnabel lassen: Er weiÃ, wie man sich versteckt. Seit zwei Wochen bekomme ich ihn nicht zu fassen.« Sie kicherte wie ein Mädchen auf dem Karussell, was gar nicht zu ihrem Auftreten passte. »Stell dich, Finn! Das wäre besser für alle.«
Die Nacht antwortete ihr mit Stille.
Die Frau lauschte, dann mahnte sie mit erhobenem Zeigefinger: »Treib es nicht zu weit, mein Freundchen. Oder soll ich deinem Mädel wehtun, damit du dich endlich zeigst?«
Alba stocherte mit dem Messer in der Luft herum, in einem lächerlichen Versuch, ihre Angreiferin damit auf Abstand zu halten. Mit der Kraft und der Grazie eines Tigers sprang die Frau vor, packte Alba am Handgelenk und drehte ihr den Arm um.
Der Schmerz schoss Alba bis in die Schulter. Ihre Finger, die sie kaum noch spürte, lieÃen die Waffe fallen. Der Kampf war vorbei, eher er angefangen hatte. Was hatte sie auch geglaubt, da bestehen zu können!
Ãber ihr schlugen Flügel. Alba schaute rasch auf, kniff die Augen zusammen und spähte in die Dunkelheit. Ein Schatten huschte über ihren Kopf hinweg. Der Rotmilan. Finn! Sie wusste nicht, ob sie sich freuen oder verzweifeln sollte, weil er damit eindeutig in eine Falle tappte.
»Na, wer sagtâs denn! Da kommt dein Geflügel schon.«
»W-was â¦Â« Tausend Fragen schwirrten in ihrem Kopf: Was ist hier los? Was wollen Sie von Finn? Wer sind Sie? Doch das, was sie letztendlich hervorbrachte, war keine Frage, sondern eine Aufforderung: »L-lassssn Sie m-mich und F-finn in Ruhe!«
Ein perlendes Lachen ertönte. »Hörst du Finn, die Kleine will, dass ich dich in Ruhe lasse. Ich muss gleich kotzen! Was denkst du, wird sie dich immer noch mögen, wenn sie erfährt, wer du bist? Oder wie du sie ausgenutzt hast?«
Zwischen den Bäumen trat eine Gestalt hervor. »Micaela, das Mädchen hat mit alldem nichts zu tun. Lass
sie laufen. Du wolltest, dass ich komme â hier bin ich.« Alba hätte nie geglaubt, dass seine Stimme so eisern klingen könnte.
Sie wollte zu Finn, doch die Frau packte sie mit einem Würgegriff und lehnte ihre Wange an Albas. »Der Gute hat dich belogen«, ertönte ihr Wispern. »Er schreibt an keiner Diplomarbeit. Mein Gott, er hat nicht einmal einen Schulabschluss. Seine Königin hat ihm befohlen, die Notizen des toten Mannes zu besorgen, und das hat er getan. Bist du wirklich so dämlich, auf seine hübschen Augen reinzufallen? Tröste dich, du bist nicht die Einzige. WeiÃt du, wie viele er schon flachgelegt hat? Wobei â sei froh, an dir hatte er wirklich Interesse, die
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