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Nachtseelen

Titel: Nachtseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krouk Olga
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in den alten Sachen gewühlt und sich so wohlgefühlt hatte. Aber … kannte sie ihn wirklich? Natürlich nicht. Er hatte ihr bloß etwas vorgegaukelt, wonach sie sich insgeheim gesehnt hatte. Sie musste auf der Hut sein, vor ihm und seinem Flittchen.
    Â»Finn, erwartest du im Ernst, sie wird dir glauben? Lass dieses Mädchen in Ruhe, sie hat schon genug durchgemacht. Du musst nicht ihr Leben noch mehr auf den Kopf stellen.«
    Â»Sie ist meinetwegen in Schwierigkeiten.«
    Â»Richtig. Deshalb lass nicht zu, dass sie noch mehr in unsere Welt hineingezogen wird. Das hier wird sie nicht verkraften.«
    Â»Sie ist stärker, als du denkst.«
    Â»Sie ist ein Mensch!«
    Â»Ja. Und ich muss sie beschützen.«
    Â»Das hast du bisher auch super hingekriegt, was?« Es raschelte, dann näherten sich Schritte dem Flur.

    Alba hastete zurück ins Wohnzimmer. Sie plumpste auf das Sofa, gerade als Evelyn mit einem Kleid und sauberer Unterwäsche hereinwirbelte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als hätte es das Gespräch von gerade eben nie gegeben. Wüsste Alba es nicht besser, wäre sie vielleicht auf diese Herzlichkeit hereingefallen. Aber die Frau wollte sie hier nicht haben, das hatte sie deutlich herausgehört.
    Nun. Wie passend! Denn sie wollte hier auch nicht bleiben.
    Â»Du bist zwar etwas größer und schlanker als ich, aber probier das mal an.« Evelyn hielt an einem Bügel ein Kleid hoch, dessen Stoff mit Efeublättern bedruckt war. »Was denkst du? Ich finde, es würde wunderbar deine grünen Augen betonen.«
    Alba zwang sich zu einem Lächeln und schlüpfte in die Sachen. Wenn sie von hier verschwinden wollte, musste sie etwas anhaben.
    Â»Fertig!«, rief Evelyn, als Alba das Kleid zurechtgezogen und sich um die eigene Achse gedreht hatte. Es schlackerte an ihr wie ein Sack, aber in ihrer Situation durfte sie nicht wählerisch sein.
    Finn zeigte sich auf der Schwelle, die Arme vor der Brust verschränkt. Ihn so zu sehen versetzte Alba einen Stich ins Herz, und sie verfluchte sich dafür. Was musste er ihr noch antun, damit sie ihn endlich aus ihrer Gefühlswelt verbannen konnte?
    Wenigstens wusste er nichts von dem Durcheinander, das in ihr herrschte. Äußerlich gelang es ihr, ihn
zu ignorieren. Stattdessen wandte sie sich an die Frau: »I-i-ich …« Sie brauchte mehrere Anläufe, um die drei einfachen Wörter hervorzubringen: »Ich gehe jetzt.« Durch ihr Gestotter klangen sie bei weitem nicht so erhaben und selbstbewusst, wie sie es sich ausgemalt hatte. Evelyn hob bloß die Schultern zum Zeichen für »Mach, was du für richtig hältst.«
    Alba wollte das Zimmer verlassen, doch Finn hielt sie zurück. Sein Arm bildete eine Schranke, die den Weg in die Freiheit versperrte. Sie riss ihre Hand in die Höhe und verharrte. Ihn weiter zu schlagen würde vielleicht ihre Wut mildern, aber nicht die Verbitterung, die ihre Seele vergiftete.
    Â»Warte. Ich muss dir etwas erzählen. Über mich. Und darüber, was passiert ist«, sagte er, ohne Evelyns mahnenden Blick zu beachten. »Die Sache ist so: Ich bin kein Mensch.«
    Alba senkte ihren Arm. Genau. Du bist ein Arschloch.
    Â»Sondern ein Metamorph.«
    Da war es, das Wort, das sie aus Hermanns Notizen kannte. Finn machte eine Pause, als würde das alles erklären. Was erwartete er von ihr?
    Evelyn räusperte sich. »Vielleicht lassen wir das lieber …«
    Ihr Einwand ging in Finns plötzlichem Redeschwall unter. »Ich gehöre zu den Wesen, die menschlich aussehen, aber über anormale Fähigkeiten verfügen. Der Rotmilan, den du gesehen hast, ist mein Seelentier. Solche wie ich sind in der Lage, sich geistig mit ihrem Seelentier
zu verbinden, also in seinen Körper hineinzufahren und als Tier zu agieren. Im Laufe der Zeit erlangen wir einige Fähigkeiten unserer Seelentiere, müssen dafür aber einige menschliche Eigenschaften einbüßen.«
    Sie sah ihm in die Augen.
    Sehr schöne Augen. Auf die jede Frau reinfiel. »A-ach!«, spottete Alba. »D-du …« Sie musste sich zusammenreißen, um mehr oder minder deutlich zu sprechen: »Du kannst also fliegen. Wie schön. Dann nutze es und mach einen Abflug!«
    Etwas zerbrach in seinem Blick. Er verwandelte sich – nein, nicht in einen Vogel, jedoch endgültig in einen Fremden. Eine Starre befiel seine Züge. Die Augen

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