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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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eines von einer Autobahnbrücke geworfenen Gegenstands passiert waren, fortgesetzt. Herr Bauer stellte den Ton
     leiser.
    »Jetzt laufen bei uns also auch schon Verrückte herum, die irgendwelche Sachen von Autobahnbrücken schmeißen«, schimpfte er.
     »Was geht nur in den Köpfen von solchen Leuten vor?«
    »Ihr solltet euch bei der Polizei melden«, sagte Pias Mutter. »Ihr seid doch gestern auch über die Autobahnbrücke gefahren,
     oder?«
    Pia und ich wechselten einen Blick. In stummem Einvernehmen behielten wir für uns, dass wir sogar einen Teil des Abends auf
     der Brücke verbracht hatten.
    »Ja, schon«, antwortete Pia langsam. »Aber das war Stunden vor dem Unfall. Was sollen wir der Polizei denn erzählen? Wir haben
     doch überhaupt nichts gesehen. Außerdem sind da Tausende von Leuten langgelaufen.«
    »Trotzdem . . .«, begann Frau Bauer, doch ihr Mann unterbrach sie.
    »Pia hat recht.« Er zwinkerte seiner Tochter zu. »Sie ist ein kluges Mädchen. Von der Polizei sollte man sich möglichst fernhalten.
     Sonst hängen sie einem noch irgendetwas an.«
    Pias Mutter stand auf und begann, die braun-weiß gestreiften Sofakissen auszuschütteln. »Das ist doch Unsinn. Es geht hier
     nur um eine Zeugenaussage, nichts weiter . . .«
    »Was sollen die Mädchen denn aussagen, wenn sie nichts gesehen haben?«, fragte Pias Vater. »Erinnerst du dich noch an die
     Anti-Atomkraft-Demo in Brockdorf? Da haben mich die Bullen eine Nacht lang eingebuchtet, nur weil ich zur falschen Zeit am
     falschen Ort war. Das war reine Schikane, eine Machtdemonstration des Polizeistaates . . .«
    Frau Bauer verdrehte die Augen. »Das ist über zwanzig Jahre her, Frank. Musst du immer wieder davon anfangen? Außerdem war
     das doch etwas völlig anderes.« Sie ging zur Fensterbank und zupfte ein paar verwelkte Blütenblätter von den orangefarbenen
     Rosen, die in einer farblich passenden Porzellanvase standen.
    »Ach ja?« Pias Vater warf ärgerlich die Fernbedienung auf den niedrigen Glastisch vor der Couch. »Wir haben ganz friedlich
     demonstriert und wurden ohne jeden Grund von der Polizei angegriffen. Aber das hast du mir ja damals schon nicht geglaubt.
     Manchmal frage ich mich wirklich, auf wessen Seite du stehst . . .«
    »Was soll das denn jetzt heißen?« Pias Mutter schüttelte ärgerlich den Kopf. »Ich habe immer auf deiner Seite gestanden, das
     weißt du ganz genau. Oder hast du etwa schon vergessen, wer damals die Kaution für dich bezahlt hat?«
    Herr Bauer lachte trocken. »Nein, das habe ich bestimmt nicht vergessen. Dein Vater reibt es mir ja heute noch bei jeder Gelegenheit
     unter die Nase.«
    »Vermutlich, weil du dich damals nicht einmal bei ihm bedankt hast«, hielt Frau Bauer ihrem Mann vor.
    Pia zog eine Grimasse. »Komm, Jenny, wir hauen ab.«
    Wir ließen Pias streitende Eltern im Wohnzimmer zurück. Ihre ärgerlichen Stimmen folgten uns bis auf den Flur. Pia schien
     der Zwischenfall etwas peinlich zu sein.
    »Tut mir leid, normalerweise warten sie mit dem Streiten, bis sie allein sind. Aber beim Thema Polizei reagiert mein Vater
     total empfindlich. Diese Brockdorf-Geschichte scheint ihm immer noch in den Knochen zu sitzen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass dein Vater mal eine Nacht im Gefängnis verbracht hat«, sagte ich.
    »Das ist ein gut gehütetes Familiengeheimnis.« Pia grinste. »Und wahrscheinlich das Spannendste, was er in seiner Jugend erlebt
     hat. Deshalb fängt er auch immer wieder davon an.«
    »Ich fahr dann mal nach Hause«, sagte ich. »Meine Mutter fragt sich bestimmt schon, wo ich bleibe.«
    »Mach's gut.« Pia umarmte mich kurz. Sie versuchte nicht, mich zum Bleiben zu überreden. »Wir sehen uns morgen, okay?«
    Erst als ich auf mein Fahrrad stieg, merkte ich, dass ich meine Jeansjacke nicht trug. Gestern Abend auf dem Festival hatte
     ich sie noch gehabt. Und auf dem Rückweg? Ich spulte meine Erinnerung zurück,so weit sie reichte. Keine Jeansjacke. Ich musste sie irgendwann im Lauf des Abends verloren haben.
    Und in der Jacke steckte mein Handy.
    Shit.

4
    Auf dem Heimweg wurde meine Laune immer schlechter. Nach und nach fiel mir ein, was ich alles auf dem Handy gespeichert hatte:
     sämtliche Telefonnummern, SMS, Fotos und unzählige kleine Filme, die ich selbst aufgenommen hatte (ein Tick von mir). Manche
     völlig belanglos, andere wiederum sehr wichtig für mich. Zum Beispiel eine Aufnahme von Markus kurz nach dem Aufwachen. Seine
     müden Augen, sein verschlafenes

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