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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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Lächeln, seine Stimme, die meinen Namen sagt . . .
    Das war nach unserer ersten gemeinsamen Nacht gewesen. Ganz am Anfang, als ich noch jedes Mal Herzklopfen bekam, wenn ich
     Markus sah, und am liebsten ständig mit ihm zusammen gewesen wäre. Obwohl wir nicht miteinander geschlafen hatten, war es
     wunderschön gewesen. Erst hatte ich Angst, war nach der Sache mit Robin total verspannt. Aber Markus hatte mich stundenlang
     massiert, mich regelrecht weichgeknetet. Bis ich bereit dafür war, seine Händeund seine Lippen überall auf meinem Körper zu spüren. Seine Berührungen waren ein einziges Versprechen, immer für mich da
     zu sein. Und dieses Versprechen hatte er gehalten. Zumindest bis gestern Abend.
    Immer, wenn ich diesen Film abspielte, wusste ich wieder, warum ich mich in Markus verliebt hatte. Warum ich nach Robin überhaupt
     noch mal einem Jungen eine Chance gegeben habe. Das war jetzt alles futsch. Lag irgendwo im Wald, auf dem Festivalgelände
     oder sonst wo. Wahrscheinlich würde ich weder Jacke noch Handy jemals wiedersehen.
    Als ich in unsere Straße einbog, kam mir ein Auto entgegen. Ein dunkelblauer, ziemlich verbeulter Passat. Augenblicklich sah
     ich Sitze aus abgewetztem Leder vor mir, ein verstaubtes Armaturenbrett und jede Menge Müll im Fußraum. Mein Herz begann zu
     rasen.
    Keine Angst, dir kann überhaupt nichts passieren. Es ist heller Tag und du befindest dich mitten in einem Wohngebiet.
    Als sich mein Herzschlag wieder normalisierte, war das Auto verschwunden. Ich stieg vom Fahrrad und schob das letzte Stück.
     Meine Beine fühlten sich zitterig an. Dabei war ich mir nicht mal hundertprozentig sicher, ob es tatsächlich der Wagen von
     letzter Nacht gewesen war.
    Du siehst Gespenster, Jenny. Es war ein anderes Auto. Ganz bestimmt.
    Und wenn nicht?

5
    »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
    Meine Mutter stand in der Küche an die Arbeitsplatte gelehnt und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ihre übliche Pose,
     wenn sie verärgert war. Obwohl sie genauso alt war wie Pias Mutter, sah sie mindestens fünf Jahre älter aus. Sie war sehr
     blass und unter ihren müden Augen lagen fast immer dunkle Ringe. Vielleicht lag es an der anstrengenden Arbeit im Krankenhaus,
     vielleicht am frühen Tod meines Vaters. Oder einfach nur daran, dass ihr Äußerlichkeiten nicht viel bedeuteten. Sie schminkte
     sich nicht, ging nur selten zum Friseur, trug immer die gleichen Bundfaltenjeans, im Sommer mit schlichten T-Shirts , im Winter mit ebenso schlichten Wollpullovern. Dazu Schuhe mit flachen Absätzen. Das war's. Wenn sie etwas mehr aus sich
     gemacht hätte, hätte sie vermutlich ganz passabel aussehen können.
    Ich seufzte. »Keine Ahnung. Irgendwas so um Mittag herum, schätze ich.«
    »Es ist gleich halb zwei.«
    »Sorry, ist etwas später geworden bei Pia. Wir haben uns verquatscht und ich hab nicht auf die Zeit geachtet.«
    »Wir wollten doch zusammen Mittag essen, bevor ich zur Arbeit muss.« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll. »Ich hab extra Spinatlasagne
     gemacht.«
    Jetzt erst sah ich die Teller auf dem Küchentisch und das Licht im Backofen. Es duftete nach zerlaufenem Käse. Spinatlasagne
     ist mein absolutes Lieblingsgericht.
    »Tut mir leid, Mama, das hatte ich total vergessen«, sagte ich wahrheitsgemäß, da mir auf die Schnelle keine gute Ausrede
     einfiel.
    Sie stieß sich von der Arbeitsplatte ab. »Ich muss jetzt los, sonst komme ich zu spät zur Arbeit. Lass es dir schmecken!«
     Sie rauschte aus der Küche. Sekunden später knallte die Haustür und ich hörte, wie sich ihre Schritte auf dem Gartenweg entfernten.
    »Na toll«, murmelte ich. »Vielen Dank für das Gespräch!«
    Durch Mamas Schichtarbeit im Krankenhaus sahen wir uns nicht besonders oft. Die Spätschicht ging von zwei bis zehn. Wenn ich
     aus der Schule kam, war sie schon weg, und wenn sie Feierabend hatte, ging ich ins Bett. Sie war Stationsleiterin der Kinderstation.
     Ein Job mit viel Verantwortung und jeder Menge Überstunden. Ich hatte keine Ahnung, wie sie den Stress nun schon seit über
     zwölf Jahren aushielt. Als ich drei war, hatte sie auf der Station angefangen. Anfangs nur in Teilzeit. Doch dann starb mein
     Vater vor sechs Jahren ganz plötzlich an einer Gehirnblutung und sie stockte auf eine volle Stelle auf. Wir brauchten das
     Geld. Mein Vater hatte keine Lebensversicherung. Warum auch? Er war erstEnde dreißig und topfit. Niemand hatte damit gerechnet, dass er sterben könnte. Am

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