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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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Wann war der andere Typ aufgetaucht? Es war hoffnungslos. Auf mein Gedächtnis war kein Verlass mehr. Es war so löchrig wie
     meine alten Chucks. Und die wenigen bruchstückhaften Erinnerungen waren mit Träumen, Wünschen und alkoholbedingten Wahnvorstellungen
     vermischt. Würde es mir jemals gelingen, die Wahrheit herauszufiltern?
    »Ich glaube, Jakob wäre es wert, etwas mehr Einsatz zu zeigen«, sagte Pia.
    Ich versuchte, mich wieder auf unser Gespräch zu konzentrieren. »Wieso? Hast du etwa ernsthaftes Interesse an ihm?«
    In meinem Hinterkopf rumorte das schlechte Gewissen. Es hielt mir vor, dass ich gestern mit Jakob abgestürzt war, obwohl Pia
     ein Auge auf ihn geworfen hatte. Dass wir zusammen getrunken, geredet, gelacht und ein bisschen geflirtet hatten . . .
    Und was noch?
    »Wer weiß . . .« Pia grinste. »Dazu muss ich ihn erst besser kennenlernen. Aber eins ist sicher: Er ist der interessanteste
     Typ, der mir in letzter Zeit untergekommen ist.«
    »Du solltest die Finger von ihm lassen.« Die Worte waren mir rausgerutscht, ehe ich darüber nachdenken konnte. Ich biss mir
     auf die Lippe.
    Pia sah mich überrascht an. »Wieso?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ist nur so ein Gefühl. Hat Jakob eigentlich eine Freundin?«
    »Nein, ich glaube nicht.« Pia lehnte sich zurück und trank ihren Kaffee aus. Dann stellte sie die leere Tasse zurück auf den
     Tisch. »Viel Persönliches habe ich nicht aus ihm herausbekommen, aber von einer Freundin war nicht die Rede. Ich glaube, er
     hat irgendwie Ärger in seinem alten Heimatort gehabt. Darum sind seine Eltern unter anderem dort weggezogen. Sie wollten hier
     neu anfangen.«
    »Ärger?« Ich runzelte die Stirn. »Was für Ärger?«
    »Keine Ahnung.« Pia zuckte die Schultern. »Er wollte nicht drüber reden.«
    Die Angst kehrte mit einem Schlag zurück. Der merkwürdige Spruch, den Jakob gestern gemacht hatte, fiel mir wieder ein.
    Eine Welt ohne Gewalt gibt es nicht.
    Hatte er jemanden zusammengeschlagen? War er gewalttätig? War das der Grund, warum er Schule und Wohnort gewechselt hatte?
    Pia stand auf, ging zur Kaffeemaschine und holte die Kanne, um sich nachzuschenken. »Möchtest du auch noch etwas?«
    Ich hielt die Hand über meine Tasse. »Heißt das, zwischen euch ist gestern noch gar nichts gelaufen?«
    Pia seufzte. »Nein, leider nicht. Wir haben ein bisschen gequatscht, aber immer, wenn es persönlicher wurde, hat Jakob abgeblockt.
     Also hab ich die meiste Zeit von mir erzählt. Ehrlich gesagt, es lief etwas zäh.« Sie stellte die Kanne zurück, schaltete
     die Kaffeemaschine aus und setze sich wieder hin.
    »Aha.« Das war ungewöhnlich. Normalerweise gelangte Pia ziemlich schnell zum Ziel. »Und was war dann?«
    »Lara und Marie sind vorbeigekommen und haben mich vollgequatscht. Die beiden haben mal wieder überhaupt nicht mitbekommen,
     dass es gerade ungünstig ist. Jakob hat sich bei der nächsten Gelegenheit verdrückt und ich stand alleine mit den beiden Tratschtanten
     da. Danach hab ich Jakob nicht mehr gefunden. Er war wie vom Erdboden verschluckt.«
    Und das war dein Glück, Pia. Sonst wärst du jetzt vielleicht diejenige mit den Kratzern am Bein und dem Loch im Gedächtnis.
    Das wäre der ideale Moment gewesen, um Pia von meiner Begegnung mit Jakob zu erzählen.
    Übrigens, ich hab Jakob gestern noch getroffen. Wir haben uns zusammen volllaufen lassen, war echt witzig. Da war auch noch
     so ein anderer Typ, keine Ahnung, wo der herkam. Und was dann passiert ist, weiß ich auch nicht mehr. Jedenfalls bin ich später
     in einem fremden Wagen aufgewacht, halb nackt auf dem heruntergekurbelten Beifahrersitz. Von Jakob und dem anderen Typ keine
     Spur. Ist das nicht zum Schreien? Wie, du meinst, einer
der beiden könnte die Situation ausgenutzt haben? Sex im Auto, von dem ich nichts mehr weiß? Unsinn, so was würde mir doch
     nie passieren . . .
     
    Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn ich Pia die Wahrheit gesagt hätte. Aber ich schwieg.

3
    Als wir mit dem Frühstück fertig waren und gerade den Tisch abräumten, kam Pias Mutter in die Küche. Sie ist genauso schlank
     und zierlich wie Pia und sieht immer wie aus dem Ei gepellt aus. An diesem Tag trug sie eine schlichte weiße Bluse zu einer
     figurbetonten Jeans, in ihrem Ausschnitt baumelte eine Kette aus bunten Glasperlen.
    »Guten Morgen, ihr beiden.« Sie lächelte mir zu und fuhr Pia durch die Haare, was diese mit einem Grunzen über sich ergehen
     ließ. »Na,

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