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Nachtsplitter

Nachtsplitter

Titel: Nachtsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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fremden Auto passiert war. Markus würde ausflippen und damit wäre nichts gewonnen. Gar nichts. Ich wollte die letzte
     Nacht so schnell wie möglich vergessen. Mein Leben weiterleben, als wäre nichts geschehen.
    »Ich bin überhaupt nicht einfach abgehauen!«, verteidigte sich Markus. »Erst war ich vorne bei der Bühne und hab mir
XXL
angesehen. Die waren gar nicht schlecht. Nach dem Konzert hab ich dich überall gesucht, aber du warst wie vom Erdboden verschluckt.
     Du warst doch diejenige, die mich hatstehen lassen wie den letzten Idioten. Und ich weiß immer noch nicht so richtig, warum.«
    »Weil ich stinksauer war, darum.«
    Es kam mir vor, als wäre unser Streit schon sehr lange her. Ich wusste noch, dass ich sauer auf Markus gewesen war. Aber ich
     konnte die Wut nicht mehr spüren. Vielleicht war sie in dem schwarzen Loch verschwunden, zusammen mit der Erinnerung an die
     entscheidenden Stunden dieser Nacht.
    Markus seufzte. »Hör mal, Jenny, wenn ich gestern was Falsches gesagt oder getan habe, dann tut es mir leid. Ich wollte dich
     nicht verletzen. Aber manchmal weiß ich einfach nicht, woran ich bei dir bin . . .«
    »Ist schon okay«, sagte ich schnell. »Mir tut es auch leid. Ich glaube . . . also vielleicht habe ich ein bisschen überreagiert.«
     Ich streifte die Turnschuhe von den Füßen, an denen immer noch der Staub vom Festivalplatz hing, und kickte sie unter die
     Garderobe. Der Laminatboden unter meinen nackten Füßen fühlte sich angenehm kühl an.
    »Ich wollte dich wirklich nicht drängen. Ich hatte nur ein bisschen zu viel getrunken, das ist alles. Wir können es ganz ruhig
     angehen lassen, ehrlich. Und wenn du so weit bist, machen wir alles genau so, wie du willst.«
    »Ja. Okay. Klingt gut.« Ich versuchte, zumindest ein Minimum an Begeisterung in meine Stimme zu legen, auch wenn mir der Gedanke
     an Sex Übelkeit verursachte. Aber dafür konnte Markus schließlichnichts. Pia hatte recht, er war wirklich ein lieber Typ. Nicht so wie die meisten, denen es nur um das eine ging.
    »Soll ich nachher vorbeikommen?«, fragte Markus. »Ich könnte ein paar DVDs mitbringen. Du darfst auch den Film aussuchen!«
    »Ich weiß nicht . . .« Ich tat so, als würde ich nachdenken, dabei wusste ich eigentlich ganz genau, dass ich keine Lust hatte.
     »Mir geht's nicht so gut. Hab gestern wohl auch zu viel getrunken.«
    »Kein Problem. Dann hängen wir eben einfach nur ein bisschen ab, okay? Ich kann dich pflegen, darin bin ich richtig gut.«
    Ich lachte. »Das weiß ich.« Als ich im letzten Winter mit einer fiesen Grippe im Bett lag, hatte sich Markus um mich gekümmert,
     während meine Mutter im Krankenhaus ihren Dienst schob. »Aber ich glaube, ich bin heute Abend lieber allein. Mit mir ist wirklich
     nichts los.«
    »Wie du willst.« Markus klang enttäuscht, doch ich wusste genau, dass ich seine Nähe heute nicht ertragen hätte. Ich wollte
     nicht berührt werden. Von niemandem. Ich wollte meine Ruhe und sonst gar nichts.
    »Sag mal, hast du eigentlich was von dem Unfall mitbekommen?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
    »Nein. Erst als die Bullen auf dem Gelände aufgetaucht sind. Da hat sich die Sache natürlich wieein Lauffeuer herumgesprochen. Es gingen sofort alle möglichen Gerüchte rum. Von bis zu fünf Toten war die Rede. Und davon,
     dass jemand auf der Autobahnbrücke randaliert hat. Als es hieß, dass die Polizei alle Festivalbesucher befragen will, bin
     ich abgehauen.«
    »Warum?«, fragte ich. »Du hattest doch nichts zu befürchten, oder? Du dealst schließlich nicht mehr.«
    »Was sollen wird der Polizei denn erzählen? Wir haben doch gar nichts gesehen.« Markus benutzte fast dieselben Worte wie Pia.
     Ob die beiden heute schon miteinander gesprochen hatten?
    Ich hakte nicht weiter nach, obwohl ich das Gefühl hatte, dass Markus nicht die ganze Wahrheit sagte. Ich merke es immer sofort,
     wenn er lügt. Aber ich war ja selbst nicht hundertprozentig ehrlich zu ihm. Nachher kam er noch auf die Idee, genauer nachzufragen,
     was ich den Abend über so getrieben hatte.
    »Wir sehen uns morgen in der Schule, okay?« Ich stand auf und streckte den Rücken durch.
    »Okay. Bis dann. Gute Besserung.«
    Wir legten auf. Einiges hatten wir ausgesprochen, doch das meiste war ungesagt geblieben. Wie in den meisten Gesprächen, die
     ich an diesem Tag geführt hatte.

7
    Ich war zu aufgekratzt, um mich noch einmal ins Bett zu legen. Ich nahm noch eine Kopfschmerztablette, trank

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