Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Peeler
Vom Netzwerk:
das, was da gerade vor meinen Augen passierte, wahr sein. Vor Angst lief es mir eiskalt den Rücken hinunter, und ich musste mehr als einmal durchatmen, um mich etwas zu beruhigen.
    »Okay, Jane«, befahl ich mir, »reiß dich zusammen. Was auch immer diese Wesen hier sind, der Höllenhund hätte dich schon längst zerfleischen können, hat es aber nicht getan, also kannst du wohl davon ausgehen, dass sie dich lebend wollen. Und auch wenn dir nicht gefällt, was sie zu sagen haben, erfährst du durch sie zumindest etwas über deine Mutter.« Dieser Gedanke gab mir neuen Mut, also hielt ich mich an ihm fest. »Zum ersten Mal in deinem Leben triffst du jemanden, der dir die Wahrheit über deine Mutter erzählen kann«, dachte ich. Mittlerweile atmete ich schon wieder ruhiger, und auch wenn ich mich nicht gerade fantastisch fühlte, so war ich doch zuversichtlich, dass ich den Geschehnissen hier nun ins Auge blicken konnte.
    Anyan fuhr mir mit seiner weichen Zunge über die Wange, und ich konnte ein Lächeln nicht zurückhalten. Es war schon erstaunlich, wie sensibel Tiere auf die Stimmung von uns Menschen reagierten. Man konnte meinen, er begriff, wie schwer das alles für mich war.
    »Also gut …«, sagte ich und sah zu Nell hinüber. Trill
anzuschauen vermied ich lieber, denn nach ihrer kleinen Verwandlungseinlage stockte mir bei ihrem Anblick immer noch der Atem. Vielleicht wäre das eine oder andere Gläschen Jack Daniels jetzt ganz hilfreich gewesen. »Ihr seid also nicht … menschlich. Und es hat euch auch keiner geschickt, um mir eins auszuwischen. Also was seid ihr dann, und warum seid ihr hier? Was habt ihr mit mir und meiner Familie zu schaffen?«
    Meine Stimme zitterte nicht. Ich war stolz auf mich.
    Verdammt, Nell strahlte immer noch vor sich hin wie das Werbegesicht auf einer Sirupflasche. »Du schlägst dich wirklich ganz tapfer, Jane«, sagte sie, und ich konnte mir gerade noch verkneifen, ihr den Mittelfinger zu zeigen. »Wie schon gesagt, deine Mutter war eine Selkie, eine Formwandlerin, die sowohl in der Form eines Seehundes und eines Menschen in Erscheinung treten konnte. Aber sie ist weder Mensch noch Robbe, sondern ein übernatürliches Wesen.«
    Ich grunzte. Das war natürlich kein besonders qualifizierter Kommentar, aber es drückte ziemlich genau den Strudel der Gefühle aus, der in mir tobte. Einerseits wollte ich schreien, dass das alles nicht wahr sein konnte, dass meine Mutter doch kein Monster aus irgendeiner Sage war. Aber neben dieser lauten, wütenden Stimme in mir gab es noch eine leise flüsternde Resonanz auf die Ereignisse, die dennoch nachhaltiger war und mir die Augen dafür öffnete, dass das, was Nell sagte, durchaus Sinn ergab.
    Die Erinnerungen an meine Mutter, wie wir zusammen schwammen, wie glücklich sie im Wasser war, die Art und Weise, wie sie mich ins Wasser tauchte, als würde sie mich heimholen, all das waren keine gewöhnlichen Erinnerungen.
Sie waren nicht normal, zumindest nicht nach menschlichen Maßstäben.
    »Übernatürlich«, dachte ich und versuchte das Wort in all seinen Facetten zu begreifen. Ich war überrascht, dass es sich gar nicht so schlimm anfühlte. Oder vielleicht fühlte es sich einfach endlich wie etwas an, wo vorher nichts gewesen war.
    »Übernatürliche Wesen umgeben die Menschen bereits von jeher überall, das beweist allein schon der Einfluss, den wir auf ihre Mythen und Sagen haben. Die Menschen kennen uns alle, aber nicht unbedingt in unserer wahren Form. Ich zum Beispiel bin ein echter Zwerg, aber die Menschen haben aus uns kleine Keramikfiguren gemacht, die ihre Gärten bewachen. Das ist auch nicht ganz falsch. Wir Zwerge sind bodenständig, und unser Territorium verteidigen wir bis aufs Blut - normalerweise das des Eindringlings. Selkies wie deine Mutter tauchen in Geschichten aus aller Welt auf. Nur häuten sie sich in Wahrheit nicht, und sie sind auch nicht die Gefangenen desjenigen, der ihr Seehundfell stiehlt. Sie kommen aus freien Stücken zu Menschenfrauen und -männern an Land, meist in der Absicht, ein Kind zu zeugen.« An dieser Stelle zögerte Nell kurz, und ich konnte sehen, dass sie die folgenden Worte mit leichtem Unbehagen sprach, obwohl sie nicht aufhörte zu lächeln. »Uns übernatürlichen Wesen fällt es schwer, uns untereinander fortzupflanzen, aber wenn wir uns mit Menschen verbinden, gibt es weniger Komplikationen. Du, Jane, bist das Ergebnis einer solchen Verbindung.«
    Ich bemühte mich, nicht allzu verächtlich

Weitere Kostenlose Bücher