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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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nie so wie dieses. Mit einem kurzen Blick auf den angespannten Wolf begab sich die junge Frau zur Tür. "Wer da?" Im Dämmerlicht des Zimmers wartete sie auf Antwort. Es mochte die sechste Stunde nach Hochsonne sein und draußen begann es schon dunkel zu werden. Die Schneemonate standen kurz bevor.
    "Öffne die Tür, Mensch! Ich habe Kunde von Kelmar." Die Stimme war nicht laut, doch energisch und duldete keinen Widerspruch. Und sie war Kyrana bekannt. Sie öffnete die Tür einen Spalt und sah hinaus. Goldenes Haar, bohrende schwarze Augen. Merian. "Kunde von Kelmar?" Fragend lag ihr Blick auf seinen ernsten, harten Zügen. "Geht es...ihm gut?"
    Fast schien es ihr, als würde er lächeln, als er nickte. "Ja, er schickt nach dir. Es ist Zeit." "Zeit?...Wofür?" Ohne nachzudenken öffnete Kyrana die Tür weiter und deutete Merian mit einem Kopfnicken an, näher zu treten. Akash grummelte lauter. Doch als der hochgewachsene Mann über die Schwelle getreten war, duckte sich der Wolf und verkroch sich rückwärts unter einem Tisch. Langsam schloss Kyrana die Tür und blieb abwartend daneben stehen. Merian ging nicht weiter auf ihre Frage ein, sondern sah sich in der kleinen Stube um.
    "Wo befinden sich deine Anverwandten, Mensch?" - "Mein Name ist Kyrana!" Es kam über ihre Lippen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Er nickte und wieder bohrte sich sein Blick in ihre Augen. "Wo also sind deine Anverwandten, Kyrana?" - "Meine Eltern sind gestorben." Wie spröde und nüchtern die Worte in den Raum hineindrangen, so als hätten sie keinerlei Bedeutung. Sie schluckte und fügte verhalten hinzu:
    "Hier sind nur Akash und ich." Leises Knurren unter dem Tisch hervor kündete davon, dass der Wolf seinen Namen gehört hatte. "Gehen wir." Merian wandte sich, nach einem erneuten kurzen Blick durch den Raum, wieder der Tür zu und öffnete sie.
    Dann trat er beiseite, um Kyrana den Vortritt zu lassen. Schnell griff sie ihren Umhang, welcher zusammengeknüllt über einem Sessel gelegen hatte und warf ihn sich über die Schulter. Vor dem Häuschen wartete eine Kutsche. Zwei schwarze Pferde tänzelten unruhig, als Merian herantrat.
    Staunend sah die junge Frau auf das prächtige Gespann. Niemals war sie in einer Kutsche gefahren! Als Kind in des Vaters Karren, ja. Schüchtern stieg sie ein und nahm auf dem gepolsterten Sitz Platz.
    *
    Die Fahrt hinauf zu den Anwesen der Obersten verlief schweigend. Die Wege waren inzwischen ausgebaut, gar befestigt, sodass die Kutsche mühelos voran kam. Kyrana saß still in die weichen Polster gelehnt und hielt sich an ihrem Kettenanhänger fest. Das kühle Silber gab ihr den Halt, den bevorstehenden Ereignissen vermeintlich gelassen entgegen zu sehen. 'Es ist Zeit.' Inzwischen ahnte sie, was auf sie zukommen könnte. Kelmar hatte es vor langer Zeit angekündigt:
    Sie würde eine der Seinen werden - ein Nachtwesen. Ewiges Leben, weil sie besonders war. Eine Gänsehaut überflog ihre Haut bei dem Gedanken daran und ihr Blick richtete sich automatisch auf Merian, der ihr gegenüber saß. Sie hätte so viele Fragen über das Wo und das Wie, doch ihre Lippen wollten sich nicht öffnen, um jene zu stellen.
    Ein kurzes, dünnes Lächeln um seine Mundwinkel mochte wohl als Beruhigung gedacht sein, als er ihre Augen auf sich ruhen fühlte und sie nun ebenfalls ansah. Dann richtete er seinen Blick wieder aus dem Fenster. Wenig später hielt das Gefährt an und der Kutscher öffnete den Schlag. Merian stieg aus und hielt ihr in formvollendeter Höflichkeit die Hand entgegen, auf dass sie ebenfalls aussteigen konnte.
    Kyrana sah sich um. Dies war nicht der Innenhof von Kelmars Anwesen. Das erkannte sie sofort, obgleich sie seit Jahren keinen Fuß mehr dorthin gesetzt hatte. „Nach dir, Mensch.“ Merian bedeutete ihr, sich gen Pforte in Bewegung zu setzen. So raffte sie den Saum ihres Umhanges und machte sich daran, seiner Aufforderung Folge zu leisten.
    Die Eingangshalle war weitläufig und in den fahlen Schein zahlreicher Kerzen gehüllt, welche auf einem großen Lüster unter der Decke brannten. Verschiedene massive Türen waren an allen Seiten zu erkennen, sodass Kyrana stehenblieb und sich fragend nach Merian umwandte. „Dort entlang.“ Noch ehe sie sich erneut in Bewegung setzen konnte, trat er bereits vor sie und ging voran. Er öffnete eine der Türen und ließ sie eintreten.
    Überrascht blieb sie stehen, denn leises Stimmengemurmel empfing sie. Der große Raum, welcher wohl ein Kaminzimmer war,
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