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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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ertappt, die Mistkerle! Wenn
     ich erst mit ihnen fertig bin, werden sie ihre Gesichter nur noch zur Beichte hier zeigen!
    Er zog die Tür auf und leuchtete in den Treppenschacht. Er lauschte. Kein Geräusch von Schritten. Und noch immer erschollen die Glocken.
    Indem er sich seitwärts bewegte und sein lahmes Bein nachzog, erklomm Żaba langsam die ausgetretenen Stufen, die zum Glockenturm hinaufführten. Gleich darauf erreichte er die obere Tür, und auch diese war leicht angelehnt.
    Die Glocken schallten jetzt noch viel lauter als zuvor. Lärmend, mißtönend. Sie hämmerten in seinen Ohren und dröhnten in seinem Kopf. Er fragte sich, wie die Lausbuben das aushalten konnten.
    Die zweite Tür riß Żaba mit einem Ruck auf und steckte den Kopf in den Turm. Er hielt die Laterne hoch und versuchte, an der Spitze des Turms die Glocken zu erkennen. Doch alles um ihn herum war dunkel. Und vor ihm schwang das Glockenseil zu seiner Verwunderung lose hin und her.
    Er blickte sich vorsichtig um. In diesem winzigen Raum, wo es kaum genug Platz für eine zweite Person gab, konnte sich unmöglich jemand verstecken. Und doch war niemand zu sehen. Żaba war alleine im Glockenturm.
    Verwirrt betrachtete er das Seil, das träge vor seinem Gesicht baumelte, und überlegte, was die Glocken wohl in Bewegung versetzt haben mochte. Als das Seil sich vor ihm herabzusenken begann, rieb er sich erstaunt die Augen. Doch als er sie wieder öffnete, glitt das Seil noch immer herab.
    Żaba schrie auf, als eine unförmige, schwarze Gestalt mit einem auf {248} gedunsenen, roten Gesicht vor ihm auftauchte. Es war Rudolf Bruckner.
     
    Dieter Schmidt wälzte sich schlaftrunken aus dem Bett und tastete nach dem Telefon. »Was ist los?« brummte er gereizt in den Hörer.
    »Was ist das für ein Krach?«
    Er hörte mit schläfrig geschlossenen Augen zu, als der diensthabende Offizier erklärte, daß die Glocken von Sankt Ambroż läuteten.
    »Dann schicken Sie doch jemanden hin, um den Lärm abzustellen, Sie Idiot!« brüllte Dieter Schmidt. »Und stellen Sie den Verantwortlichen an die Wand! Wie zum Teufel soll ich bei diesem Lärm schlafen können?«
    Vier Soldaten setzten sich sofort zur Kirche in Marsch. Mit gezogenen Waffen stürmten sie durch die doppelten Eichenportale und hielten jäh inne, als sie den alten Żaba erblickten, der gegen die Wand gepreßt stand und wirres Zeug murmelte.
    Sie eilten zu ihm hin und wollten ihn zur Rede stellen, doch vergebens. Das ohnehin schon entstellte Gesicht des verwachsenen alten Küsters war vor Angst verzerrt, und er brachte nichts heraus als ein unverständliches Gestammel. Rasch stiegen die Soldaten die Treppe des Glockenturms hinauf und stießen am Ende auf die am Glockenseil auf- und niederschwingende Leiche Rudolf Bruckners. Einer von ihnen besaß genug Geistesgegenwart, das Seil anzuhalten. Die Glocke hörte sofort auf zu läuten, und der Körper schwebte sanft auf den Boden. Den vier Männern drehte sich bei seinem Anblick fast der Magen um.
    Bruckners Augen traten aus den Höhlen, und seine Haut war merkwürdig blau angelaufen. Sie schnitten das Seil durch, so daß er mit einem dumpfen Aufprall zu Boden fiel.
    Die Gewehre im Anschlag starrten die vier SS -Männer noch immer verwundert auf den Leichnam, als sie hörten, wie sich jemand auf der Treppe mit schnellen Schritten näherte. Sie drehten sich um und sahen Pfarrer Wajda die schmalen Stufen hinaufeilen. Hastig knöpfte er sich den Kragen seiner Soutane zu.
    »Was geht hier vor?« fragte er zuerst auf polnisch. Als er die Soldaten sah, wiederholte er die Frage auf deutsch. Er hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, als sein Blick auf das schauerliche Antlitz Bruckners {249} fiel. Unwillkürlich wich er einen Schritt zurück und bekreuzigte sich.
    »Großer Gott!« flüsterte er. »Was ist das?«
    Einer der SS -Männer kniete sich hin und klopfte flüchtig die Taschen des Toten ab. Er zog die Ausweispapiere des Laboranten hervor und fand in der Tasche des Trenchcoats ein verknittertes Blatt Papier, auf dem nur zwei Zeilen standen. Der Soldat warf einen Blick darauf und reichte es wortlos an den Priester weiter.
    Pfarrer Wajda starrte entgeistert auf die Notiz, die auf deutsch verfaßt war:
    »Ich kann nicht länger mit dem leben, was ich bin. Möge Gott mir vergeben.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Piotr Wajda und sah zu den Soldaten auf.
    »Was ist hier los? Wer ist das?«
    Die vier Männer zuckten mit den Schultern und traten nervös von

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