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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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begann er schließlich. »Sie hat etwas gefunden, und sie meint, es könnte für Sie wichtig sein.«
    Die Furcht im Gesicht des Mannes ließ Jan aufhorchen. Er spürte, wie er sich innerlich anspannte. »Was hat sie gefunden, Bernhard?«
    »Sie kennen doch das Gestapo-Hauptquartier, Herr Doktor?«
    »Ja.«
    {285} »Und Sie wissen auch, daß meine Frau abends dort saubermacht … ich meine die Büros und so … Aber sie wird nicht dafür bezahlt.«
    »Ja, das weiß ich, Bernhard.« Szukalski sah den Mann prüfend an. Das Gesicht des Krankenpflegers war kreidebleich geworden. »Nun, Herr Doktor, wir haben etwas über die … äh über die Fleckfieberepidemie erfahren.«
    Szukalski musterte ihn vorsichtig. »Ja und weiter?«
    »Na ja, es lag im Papierkorb, und meine Frau kann lesen … Sie ist eben neugierig, wenn Sie wissen, was ich meine, Herr Doktor. Sie hat das hier gefunden und meinte, Sie sollten es sehen.«
    Er griff mit seiner klobigen Hand in die Tasche seines weißen Kittels und zog ein verknittertes, gelbes Stück Papier daraus hervor. Er reichte es Szukalski und zog rasch die Hand zurück, als hätte er sich daran verbrannt. »Sie sagt, es ist aus einer Maschine gekommen.«
    »Ja, das stimmt …« Jan glättete den Zettel und blickte stirnrunzelnd auf eine zweizeilige Mitteilung in Deutsch. »Man nennt diese Maschine einen Fernschreiber, Bernhard.«
    »Wissen Sie, Herr Doktor, meine Frau spricht deutsch, weil sie aus Unislaw stammt. Das liegt ganz im Westen, müssen Sie wissen. Und als sie dann diesen Zettel sah, da mußte sie gleich daran denken, was wir über Fleckfieber gehört hatten …« Der Mann geriet außer Atem.
    Szukalski spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte, als er die Nachricht las:
    SS - HAUPTSTURMFÜHRER DIETER SCHMIDT . SCHICKEN KONTINGENT ZUR UNTERSUCHUNG DER TYPHUSEPIDEMIE . ANKUNFT DREIZEHNTER MAI 1943. BITTE UM VOLLE UNTERSTÜTZUNG .
    Wie vom Donner gerührt, starrte er auf die knappe Mitteilung und meinte, sein eigenes Todesurteil zu lesen, bis ihn Bernhards demütige Stimme wieder aufrüttelte.
    »Jedermann weiß von der … ähm … und meine Frau, nun ja, sie hat es mit der Angst bekommen und …«
    »Bernhard«, Szukalski war überrascht, wie ruhig seine Stimme klang, »weiß noch jemand von dieser Nachricht?«
    »Nein, Herr Doktor, nur meine Frau und ich.«
    »Es besteht überhaupt kein Grund zur Sorge, Bernhard. Wir haben nichts zu befürchten. Es handelt sich nur um ein kleines Ärzteteam.
    {286} Nur eine Routineuntersuchung. Und wenn irgendeiner Ihrer Freunde Sie fragen sollte, wer die Fremden sind, dann sagen Sie ihnen einfach, es seien Ärzte, die gekommen sind, um die Epidemie zu bestätigen. Verstehen Sie, Bernhard?«
    »Jawohl, Herr Doktor.«
    »Danke Bernhard, Sie haben mir sehr geholfen.«
    Als der Pfleger gegangen war, zündete Szukalski ein Streichholz an, hielt die Flamme an die Ecke des gelben Stück Papiers und warf es in den Aschenbecher. Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, während er beobachtete, wie der Zettel schwarz wurde, sich zusammenrollte und langsam zu Asche zerfiel.
    Der Ermittlungstrupp würde in zwei Tagen eintreffen.
     
    Das kalte Licht der nackten Glühbirnen, die von der gewölbten Decke herabhingen, erzeugte unheimliche Schatten auf den Steinwänden. Die fünf Verschwörer saßen in einem engen Kreis in der klammen Krypta von Sankt Ambroż. Piotr Wajda, der als letzter zu ihnen stieß, nahm auf seinem Klappstuhl Platz und sah Jan Szukalski erwartungsvoll an.
    Szukalski räusperte sich und begann mit ruhiger Stimme zu sprechen: »Liebe Freunde, siebzehn Monate sind nun schon vergangen, in denen uns das Glück hold war. Niemand von uns wird bestreiten, daß wir unseren Plan erfolgreich durchgeführt haben. Während die Nazis weiterhin Menschen zur Endlösung in die Todeslager deportieren, haben die Bürger von Sofia bisher relative Schonung genossen. Doch jetzt scheint unsere Glückssträhne zu Ende zu sein. Ich gebe offen zu, meine Freunde«, fuhr er fort, während er den Blick über die Gesichter der Anwesenden gleiten ließ, »daß ich im ersten Augenblick, nachdem ich die Fernschreiber-Nachricht gelesen hatte, am liebsten meine Familie genommen und mich aus dem Staub gemacht hätte. Die Deutschen werden morgen kommen und eine saubere Stadt vorfinden. Sie werden entdecken, daß wir sie die ganze Zeit an der Nase herumgeführt haben, und dann wird unser Leben keinen Pfifferling mehr wert sein.«
    »Warum sollen wir dann

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