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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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neben Schmidts Büro und hielten den Blick ängstlich auf die angelehnte Tür gerichtet. Durch den schmalen Spalt konnten sie die Besucher nacheinander eintreten sehen. Plötzlich gab Maria einen erstickten Schrei von sich.
    »Was ist los?« flüsterte Szukalski und versuchte, in der kleinen Menge, die sich vor der Tür versammelt hatte, den Grund ihres Entsetzens zu erkennen.
    »Ich glaube es einfach nicht …«, stieß sie hervor und faßte sich krampfhaft an die Brust. Über dem rasierten Kopf des untersetzten Dieter Schmidt ragte das ebenfalls kahlgeschorene Haupt Maximilian Hartungs. »Jan …« Maria erhob sich langsam; ihre Stimme bebte.
    »O Jan …«
    »Was haben Sie denn nur?« Er trat einen Schritt auf die Tür zu und sah im nächsten Augenblick das Gesicht, das sie wie gebannt fixierte.
    »Aber das ist doch …«
    »Max«, flüsterte sie heiser. Maria griff nach Szukalskis Hand und hielt sie fest umklammert: »O Jan, er ist mit ihnen gekommen! Er ist einer von ihnen!« Sie blickte zu ihm auf; Tränen der Verwirrung quollen aus ihren Augen.
    Die beglückende Vorstellung, ihren Geliebten eines Tages wieder in die Arme zu schließen, war plötzlich einem Alptraum gewichen.
    Die Menge teilte sich etwas, und beide Ärzte erkannten zur gleichen Zeit die schwarze Uniform, die Hartung trug.
    Schlagartig wurde Maria alles klar. Sie fuhr herum und brach mit einem röchelnden Laut auf der Holzbank zusammen.
    »O mein Gott«, murmelte Jan Szukalski, unfähig, den Blick von dem SS -Offizier zu wenden. »Heiliger Jesus, er ist wirklich einer von ihnen.« Er drehte sich um und schaute auf Dr. Duszynska hinab.
    »Maria …«
    Aber sie konnte ihn nicht hören. Wie zu Eis erstarrt, saß sie auf der Bank, ihr Gesicht kreidebleich, ihr Mund halb geöffnet, ihre Augen starr wie die einer Puppe.
    »Maria«, redete er sanft auf sie ein, während er sich neben ihr niederließ und tröstend ihre Hand ergriff, »wir wissen es doch gar nicht sicher. Er könnte ebensogut hier sein, um uns zu helfen.«
    {292} Obgleich ihr Körper stocksteif und ihr Gesicht leichenblaß war, konnte sie noch sprechen. »Nein, Jan, nicht in dieser Uniform. Jetzt wird mir alles klar. Während der letzten siebzehn Monate habe ich ihm ständig geschrieben und mich immer gefragt, warum ich nie etwas von ihm hörte. Und damals während unserer Studienzeit, als er plötzlich ohne ein Wort des Abschieds verschwand und zwei Jahre später ganz plötzlich und ohne Vorankündigung wieder auftauchte. Ich verstehe es jetzt. Er ist einer von ihnen.«
    Sie hätte ihren Tränen jetzt gerne freien Lauf gelassen, doch sie hatte keine Gelegenheit mehr dazu. Die Tür flog auf, und im Türrahmen erschien die prächtige, herausfordernde Gestalt Maximilian Hartungs.
     
    Piotr Wajda und Anna Krasinska konnten von ihrem Beobachtungsposten am Fenster im zweiten Stock des Krankenhauses gerade noch die Vordertreppe des Rathauses erkennen. Es war sehr wichtig für ihren Plan, daß sie die deutsche Delegation sahen, sobald sie das Gebäude verließ.
    »Kümmern Sie sich doch schon einmal um die Vorbereitung der Spritzen« schlug der Priester vor. »Ich werde hier am Fenster die Stellung halten.«
    Anna nickte und entfernte sich. Da sie um diese Zeit die einzige diensthabende Schwester auf der Isolierstation war, konnte sie relativ ungestört arbeiten und wurde auch nicht vom Zittern ihrer Hände behindert, wie sie es befürchtet hatte. Für die bevorstehende Aufgabe brauchte Anna absolute Ruhe und Konzentration.
    Je zwanzig Milligramm Morphiumsulfat mußten in sieben Spritzen aufgezogen und dann auf einem sauberen Tuch zur schnellen Verabreichung bereitgestellt werden.
    Zwanzig Milligramm waren zwar eine starke Dosis, aber noch nicht tödlich. Andererseits reichte die Menge aus, um einen Erwachsenen extrem krank erscheinen zu lassen.
    Während sie arbeitete, prüfte sie im Geiste noch einmal nach, ob sie auch nichts vergessen hatte. Die Bettwäsche war zwei Tage lang nicht gewechselt worden. Die Bettpfannen waren alle voll und standen entweder auf den Nachttischen oder auf dem Boden. Die Wäschekörbe quollen über mit fleckigen Laken. Der Linoleumboden war seit zwei {293} Tagen nicht mehr gereinigt worden und bot für ein sonst so sauber gehaltenes Krankenhaus einen erbärmlichen Anblick.
    Die Räumlichkeiten starrten vor Dreck und Unordnung, und über allem lag ein widerlicher Geruch. Anna war zufrieden. Genau so wollten sie es haben.
    Piotr Wajda hielt noch immer am Fenster

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