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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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erblickte. Er hätte gerne mehr für sie {289} getan, als ihnen nur eine schwache Hoffnung zu geben. Doch er konnte nicht mehr sagen als: »Wir werden bei der Untersuchung mitmachen, als hätten wir nichts zu befürchten. Wir werden die Delegation voll und ganz unterstützen.«
    »Aber wie …«
    Mit erhobener Hand gebot er Ruhe, und seine Augen leuchteten einen Augenblick auf. »Meine Freunde, ich habe einen Plan.«

23
    SS -Sturmbannführer Maximilian Hartung hatte nur fünfzig Mann für seine Unternehmung in Sofia gewinnen können. Aber das schreckte ihn nicht ab. Die neuen Panzer, die sich auf dem Weg nach Lublin befunden hatten, waren für Hartungs Auftrag umgeleitet worden, und auf die Panzer hatte er sowieso mehr gerechnet als auf die Soldaten. Hartung verfolgte nämlich einen ganz bestimmten Plan: Hätte sich die Epidemie erst einmal als Schwindel herausgestellt, so wollte er die Panzer dazu benutzen, die Stadt Sofia dem Erdboden gleichzumachen.
    Dr. Fritz Müller sah der Unternehmung mit sehr viel weniger Entschlossenheit entgegen. Allerdings war er von der ganzen Begleitmannschaft – einschließlich der vier anderen Ärzte und der beiden Laboranten, die die Untersuchungen und Tests durchführen sollten und die jetzt hinter Hartung und Müller im offenen Geländewagen fuhren – der einzige, der noch immer Zweifel an der Mission hegte.
    Drei große Militärlaster folgten den Geländewagen. Sie zogen Feldgeschütze mit sich und transportierten die Männer der Einsatzgruppe, die allesamt schon früher unter Max Hartungs Befehl gedient hatten und ihrem Befehlshaber blindes Vertrauen entgegenbrachten. Sie waren ebenso sicher wie er, daß es in der Stadt kein Fleckfieber gab und daß ihnen ein ruhm- und beutereicher Tag bevorstand.
    Hartung besaß die charismatische Fähigkeit, jedermann von nahezu allem überzeugen zu können. Als er mit seinem Verdacht an seine Vorgesetzten herangetreten war, hatte er daher rasch die Erlaubnis erhalten, zunächst zu ermitteln und dann, wenn nötig, die Gegend zu {290} zerstören. Allerdings hatte er ihnen noch vor Antritt seiner Mission das feierliche Versprechen abgenommen, daß ihm die Entlarvung der Partisanen als volles Verdienst angerechnet würde und er mit einer Auszeichnung rechnen könne. Nur ein Mann war nicht völlig überzeugt, und dieser Mann saß im Auto neben ihm.
    »Mir ist die ganze Sache noch immer nicht ganz geheuer, Max, das muß ich dir sagen.« Fritz Müller sprach leise genug, daß nur sein Sitznachbar ihn hören konnte, und warf dabei einen schrägen Blick auf die strahlende Landschaft und die Weichsel, auf deren glänzender Oberfläche sich das Sonnenlicht reflektierte. »Du hast noch immer keinen Beweis und folgst nur einem Verdacht.«
    »Ja, das stimmt, aber ich täusche mich selten. Und denk daran, welch großen Dienst du dem Reich damit erweist. Unsere Vorgesetzten wissen es wohl zu schätzen, daß wir ihnen eine Möglichkeit aufgezeigt haben, das Munitions- und Ersatzteillager wieder für die Wehrmacht nutzbar zu machen. Denk an die Ehre!«
    »Ich weiß, Max, ich weiß. Aber trotzdem … sich unnötig dem Risiko einer solchen Krankheit auszusetzen … Kein einziger unter uns ist auch nur im geringsten dagegen immun.«
    Aber Max lachte nur.
    Die zehn Panzer hatten sich eine halbe Stunde früher auf den Weg gemacht, so daß sie bereits auf dem Marktplatz Stellung bezogen hatten, als Hartung mit seiner Truppe in die Stadt einfuhr. Ihre massiven Kanonen waren direkt auf die Kirchen gerichtet. Die offenen Geländewagen rollten vor das Gestapo-Hauptquartier, während die drei Transportlaster hinter den Panzern hielten.
    Es war ein träger, lieblicher Sommermorgen, aber nur wenige Einwohner der Stadt hielten sich draußen auf. Die Nachricht von der herannahenden Delegation hatte sich tags zuvor wie ein Lauffeuer verbreitet, so daß die meisten sich nicht vor die Tür wagten und ängstlich hinter den Gardinen hervorspähten. Erst kürzlich hatten sie von dem Schicksal des Warschauer Gettos erfahren.
    Dieter Schmidt hatte auf der Treppe seines Hauptquartiers Haltung angenommen und hieß die hohen Gäste mit dem Parteigruß willkommen. SS -Sturmbannführer Hartung erwiderte den Gruß und stellte den Kommandanten dann seinen Begleitern vor. Alles verlief höflich, reserviert und, wie Schmidt mit Sorge bemerkte, äußerst steif.
    {291} Dr. Szukalski und Dr. Duszynska, die schon früh am Morgen ins Hauptquartier zitiert worden waren, saßen in einem Raum

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