Nachtzug
und Augen geschlossen und wartete, daß das Unwetter vorüberzog. Schließlich sagte der Sturmbannführer mit leiser, drohender Stimme: »In Ordnung, Schmidt. Ich gebe Ihnen eine letzte Chance, Ihren Fehler wettzumachen. Es gibt noch eine Person in dieser Stadt, die weiß, wo Szukalski ist. Dieser scheinheilige Hurenpriester Wajda. Nehmen Sie ein paar Männer mit, und suchen wir ihn jetzt!«
Wenig später drang eine kleine Gruppe – Hartung, Schmidt, Müller und sechs Soldaten mit Maschinenpistolen – durch den Haupteingang von Sankt Ambroż und verteilte sich im hinteren Teil des Kirchenschiffs, da sie mit einem Partisanenangriff aus dem Innern der Kirche rechneten.
Piotr Wajda, der den Lärm hörte, stand langsam von seinem Schreib {349} tisch auf, glättete seine Soutane, rückte das goldene Kruzifix auf seiner Brust gerade und trat in den Altarraum hinaus.
»Suchen Sie jemanden, Herr Hauptsturmführer?« rief er, wobei seine Stimme durch die leere Kirche hallte.
Die düstere Abordnung bewegte sich argwöhnisch durch das Mittelschiff auf den Altar zu.
»Und Sie, Herr Doktor, und sogar der ruhmreiche Sturmbannführer!« rief Wajda von seinem Platz auf der letzten Stufe vor dem Altar. »Alle sind Sie gekommen! Welch eine Überraschung! Ich habe Sie natürlich erwartet, aber doch nicht ganz so schnell.«
»Dreckskerl!« schnauzte Hartung. »Wo ist Szukalski? Und Duszynska? Wo sind sie, und wer war sonst noch an eurem Affentheater beteiligt?«
»Affentheater?«
»Du weißt verdammt gut, wovon ich spreche, du heuchlerisches Schwein! Ich rede von eurer zum Himmel stinkenden vorgetäuschten Fleckfieberepidemie!«
Der Priester musterte die Männer unter sich. »Sie müssen nicht so schreien, Herr Sturmbannführer. Und es besteht auch überhaupt keine Notwendigkeit, mich einzuschüchtern. Ich werde Sie nach bestem Wissen unterstützen. Und wie recht Sie doch haben! Es war tatsächlich eine vorgetäuschte Epidemie!«
Hartung und Müller wechselten Blicke.
»Und Sie, Herr Doktor«, fuhr Wajda glattzüngig fort, »möchten Sie wissen, wie es uns gelang? Durch einen Impfstoff, das ist alles. Durch einen einfachen Impfstoff, der den Weil-Felix-Test positiv ausfallen läßt.«
Müller starrte in einer Mischung aus Zweifel und Bewunderung zu dem Priester auf. »Ein Impfstoff …«
»Ja, allerdings einer, der den Deutschen nicht bekannt ist. Würden Sie gerne sehen, wo der Impfstoff hergestellt wurde und wie wir ihn bereiteten? Und Sie, Herr Hauptsturmführer, möchten Sie gerne wissen, was sich zweieinhalb Jahre lang direkt vor Ihrer Nase abgespielt hat? Und Sie, Herr Sturmbannführer, würde es Sie interessieren, zu erfahren, wer sich vor einem Jahr hinter Ihrem Rücken ins Fäustchen lachte und wo die Betreffenden jetzt sind?« Er lächelte engelhaft. »Kommen Sie mit mir. Ich werde Ihnen alles zeigen.«
{350} Wajda wandte ihnen den Rücken zu und näherte sich dem hinteren Teil der Apsis. Als einer der bewaffneten Soldaten das Gewehr anlegte, um zu schießen, hielt Hartung ihn sanft zurück. »Warten Sie noch. Gehen wir ihm nach.«
Die kleine Gruppe folgte dem Priester, der zu der verborgenen Tür ging und den Schlüssel in dem großen, eisernen Schloß herumdrehte. Die Tür sprang auf, und dahinter kam die Wendeltreppe zum Vorschein, die zur Krypta hinunterführte. Pfarrer Wajda betätigte einen Schalter, worauf die Lichter angingen, und stieg dann langsam die Stufen hinunter. »Sehen Sie, meine Herren? Wir haben sogar elektrisches Licht«, erklärte er triumphierend.
»Wohin führt er uns?« flüsterte einer der SS -Männer, als sie ihm hintereinander die Steintreppe hinunterfolgten.
Endlich kamen sie unten an, und neun Augenpaare blickten sich erstaunt um.
»So, da wären wir. Dies, meine Herren, ist unser Labor.«
Wajda durchquerte den kleinen Raum und stellte sich auf die andere Seite des mit Instrumenten beladenen Tischs. Dann wandte er sich wieder seinen Gästen zu. »Ich kann Ihnen jetzt alles sagen, meine Herren, weil ich weiß, daß Sie Sofia nichts mehr anhaben können. Die Russen sind schon zu nahe, und Sie müssen jetzt an Ihre eigene Sicherheit denken. Was mich selbst und die anderen betrifft, die an dem Betrug beteiligt waren, nun ja«, er zuckte mit den Schultern, »wir waren uns über die Konsequenzen stets im klaren. Nur in bezug auf die Stadt mußte ich zuerst sichergehen, daß ihr nichts geschehen würde.« Piotr Wajda beschrieb nun ausführlich, wie der Impfstoff entdeckt worden
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