Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
Vom Netzwerk:
Gäste vergessen. Komm her zu mir, damit ich dich vorstellen kann.«
    David musterte die Fremden voller Mißtrauen. »Laß sie hierherkommen und sich bei mir vorstellen. Sie sind Gäste und sollen sich entsprechend benehmen.«
    Moisze erklärte auf jiddisch: »Die Gois sind unsere Freunde, mein heißblütiger Zionist. Sie sind genauso Opfer wie wir.«
    »Er hat recht«, bekundete der Fremde und näherte sich dem Feuer, »es ist an uns, das Benehmen eines Gastes zu zeigen.« Er streckte ihm seine kräftige, schwielige Hand entgegen. »Brunek Matuszek, Hauptmann der polnischen Armee.«
    David musterte ihn weiterhin argwöhnisch, ohne die Tasse und die Schale abzustellen, die er in den Händen hielt. Aber der Fremde lächelte. »Und leider muß ich bestätigen, daß das mit Oświęcim stimmt.« Er setzte sich dem Jungen gegenüber und sah ihn durch das glühende Feuer an. »Oświęcim ist ein Todeslager.« Zwei andere Unbekannte erschienen hinter dem Offizier, dessen Name Brunek war. Bei dem einen handelte es sich um einen jüngeren Mann, der sich als Antek Wozniak, Gefreiter bei der polnischen Armee, vorstellte und dem David kaum Aufmerksamkeit schenkte. Aber als er die dritte Person registrierte, wurde sogleich sein Interesse geweckt, und er setzte sich auf.
    Vor ihm stand eine junge Frau von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, die Männerkleider trug und deren bleiche Haut im Schein des Feuers schimmerte. Als Moisze sie als Leokadja Ciechowska vorstellte, nickte David langsam und registrierte dabei ihre auffallend grünen Augen und die Schönheit, die von ihrem ungekämmten, rabenschwarzen Haar ausging. Unbeeindruckt, fast herausfordernd, trotzte sie seinem Blick und setzte sich dann auf einen Hocker neben Brunek.
    »Sie sind vor einiger Zeit zu uns gestoßen, David«, erklärte Moisze, der Sprecher der Gruppe in allen Angelegenheiten.
    »Freunde in Lublin haben ihnen gesagt, sie sollen sich an Dolata in Sofia wenden, und er hat sie dann zu uns geschickt.«
    {59} »Was wollen sie?« fragte er bitter. »Sich mit uns verstecken?«
    »Kämpfen«, warf Leokadja ein.
    David musterte sie erneut. Dann erwiderte er: »Laßt mich eins klarstellen: Ich kämpfe nicht gegen die Deutschen, weil ich Polen liebe, sondern deshalb, weil sie mein Volk in Lager stecken und vernichten. Die Heimat meines Volkes ist Zion, und Gott hat Israel aufgerufen, sich zu vereinen. Aus diesem Grund kämpfe ich.«
    »David«, versetzte Moisze geduldig, »die Haltung eines Zeloten, der andere nicht braucht, ist oft nicht realistisch. Unsere Gruppe ist viel zu klein, und wir haben viel zu wenig Waffen, als daß wir uns erlauben können, eine helfende Hand zurückzuweisen. Diese Menschen sind zu uns gestoßen, um gemeinsam mit uns zu kämpfen. Also heiße sie willkommen, David!«
    Der junge Mann nickte wieder und brummte, ohne daß die Feindseligkeit aus seinem Blick wich: »Um Moiszes willen, so seid denn willkommen.«
    Der Metzger wandte sich den drei Neuen zu und erklärte: »David war gerade in der Schule, als man seine Eltern abholte. Als er nach Hause kam, lag der Hof in Schutt und Asche, und Nachbarn berichteten ihm, daß man seine Mutter und seinen Vater in einen Viehwagen gesteckt habe. Das war vor etwa anderthalb Jahren. Bis heute weiß er nicht, wohin man sie verschleppt hat. David hat nichts gegen Sie oder Ihre Freunde persönlich, Brunek. Es liegt an dieser Vorgeschichte, daß in seinem Herzen nur wenig Platz für Zuneigung und Vertrauen ist.«
    »Wir verstehen«, meinte der Hauptmann und starrte in das Feuer. »Antek und ich sind auf uns alleine gestellt gewesen, seit unsere Einheit vor zwei Jahren aufgelöst wurde. Auch wir haben unsere Familien verloren, und keiner weiß, was aus unseren Kameraden geworden ist. Es heißt, daß viele von ihnen über Rumänien geflohen sind. Antek und ich sind seitdem immer einen Schritt schneller gewesen als die Deutschen.«
    »Auf der Flucht!«
    Der polnische Hauptmann lächelte milde. »Von mir aus magst du so denken, David; aber wir kämpfen auch. In Polen gibt es eine breite, organisierte Widerstandsbewegung, für die wir kämpfen, wo es geht. Vielleicht denkst du, wir sind Feiglinge, aber unser Ziel ist es, zu überleben und zum Kampf für unser Vaterland beizutragen.«
    {60} David warf einen längeren und genaueren Blick auf das Gesicht ihm gegenüber und gewahrte die breite Hakennase, die hohe Stirn und das glatte schwarze, nach hinten gekämmte Haar. Dann erklärte er leise: »Sie haben recht,

Weitere Kostenlose Bücher