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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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und Festlichkeiten waren kein Thema, und sie würden diese Nacht wie jede andere verbringen. Ihre einzigen Gedanken galten dem Kampf ums Überleben.
    Nun gesellte sich ein weiterer Mann zu ihrer Runde. Er hatte die ganze Zeit in der Ecke gesessen und einen Greis gefüttert, der nicht mehr selbst essen konnte. Es handelte sich um Ben Jakobi, der auch schon ein fortgeschrittenes Alter erreicht hatte, aber widerstandsfähig genug war, um dem harten Winter zu trotzen und das spartanische Dasein in der Höhle zu ertragen. Der nicht sehr große, zerbrechlich wirkende Jude mit weißem Haarschopf, vormals Apotheker von Sofia und fünfundsechzig Jahre alt, trat nun vor, um sich am Feuer die Hände zu wärmen und etwas von der wäßrigen Hühnersuppe zu sich zu nehmen. »Ich habe Ihnen zugehört, Herr Hauptmann«, erklärte er, »und würde gerne von Ihnen erfahren, wie Sie es sich vorstellen, einen Zug anzuhalten, insbesondere wenn er so schwer bewacht ist wie diese für die Deutschen so kostbaren Güterzüge.«
    Brunek, der Ben Jakobi vorher schon kurz kennengelernt und mit dem Apotheker ein paar Worte gewechselt hatte, entgegnete mit einem Lächeln: »Ich habe bereits einen Plan, aber ich brauche Ihre Hilfe.«
    Ben Jakobi zeigte sich überrascht: »Meine Hilfe?«
    »Um einen Zug zu stoppen, werden wir wirkungsvollen Sprengstoff benötigen, und ich denke, das beste für unsere Zwecke wird Nitroglyzerin sein.«
    »Nitroglyzerin!« entfuhr es Moisze, »das soll wohl ein Scherz sein! Das ist viel zu gefährlich, und außerdem: Wo wollen Sie es auftreiben?«
    Brunek blickte weiter Jakobi an, der bereits ahnte, was der Hauptmann antworten würde. »Wir werden es selbst herstellen.«
    {65} »Und uns dabei selbst in die Luft jagen«, murmelte Abraham Vogel.
    »Es ist die einzige Möglichkeit«, fuhr Brunek betont ernst fort. »Es ist ganz einfach herzustellen, wenn man nur die einzelnen Bestandteile hat. Ich war Chemieingenieur in Warschau und habe in den vergangenen zwei Jahren genug Erfahrung in Handhabung und Herstellung dieses Stoffes erworben. Mit der Hilfe von
Pan
Jakobi dürfte es keine allzu großen Probleme geben.«
    »Aber wie …?«
    »Erst einmal müssen wir nach Sofia, um festzustellen, was von der Apotheke noch übrig ist. Wenn die Deutschen so vorgegangen sind wie in den anderen Städten, die ich kenne, dann werden sie nur genommen haben, was sie brauchen, und den Rest zerstört haben. Es besteht die Möglichkeit, daß noch etwas übriggeblieben ist, zum Beispiel Chemikalien, die wir brauchen.«
    »Nach Sofia gehen!« Moisze Bromberg verlor jetzt das erste Mal die Fassung. »Das Risiko ist doch viel zu groß!«
    »Moisze, wir sind im Krieg. Risiken gehören einfach dazu.«
    David stellte plötzlich fest, wie er Matuszek zulächelte. »Ich werde Ihnen helfen, Hauptmann«, erklärte er lakonisch. »Was genau haben Sie vor?«
    Brunek begann zu flüstern, und jeder in der Runde beugte sich vor.
    »Es gibt da eine breite Brücke über die Weichsel auf der Strecke nach Lublin. Diese Brücke ist für die Deutschen von enormer Bedeutung. Ich schlage vor, daß wir die Brücke in die Luft jagen, wenn ein Munitionszug rüberfährt.«
    »Ein Munitionszug?«
    »Ja.«
    »Sollen wir denn alle in Stücke zerrissen werden?«
    »Nein, Moisze, nicht wenn wir genau nach meinem Plan vorgehen. Hört gut zu, diese Züge sind sehr schwer bewacht, und die Deutschen kontrollieren stets die Brücke, bevor sie sie überqueren. Ich habe persönlich beobachtet, wie die Wachen die Brücke abgehen und nach verstecktem Sprengstoff suchen. Der Zug muß fünf bis zehn Minuten warten, bevor er weiterfahren darf.«
    »Was bedeutet, daß es unmöglich ist, die Brücke hochzujagen«, meinte Moisze.
    {66} »Ich habe ja auch gar nicht vor, den Sprengstoff an der Brücke selbst anzubringen; ich will ihn am Zug anbringen.«
    »Wie bitte?« platzte David heraus. »Das ist unmöglich! Diese Züge wimmeln doch von Soldaten, wie soll man sich denn da einem Zug nur nähern? Und dann auch noch mit einer Ladung Nitroglyzerin!
    Man würde uns sofort entdecken!«
    »O nein, junger Freund, ganz falsch«, lächelte Brunek in die Runde.
    »Es kann gar nicht schiefgehen; ich habe einen Plan, wie ich mich unsichtbar machen werde.«

4
    Jan Szukalski saß in seinem Lehnstuhl und starrte, das Kinn auf die verschränkten Hände gestützt, in die züngelnden Flammen im Kamin. Als er nach Hause gekommen war, hatten Katarina und der Junge oben schon geschlafen, und da er sie

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