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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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und ihn anschließen, damit er morgen nacht benutzt werden kann?«
    »Ich wüßte nicht, was dagegen spräche.«
    {142} »Wir brauchen Kühlkapazitäten«, meinte Maria.
    »Ich habe einen zweiten Eisschrank«, erklärte der Priester. »Meine Haushälterin wird froh sein, wenn sie ihn los ist.«
    »Hervorragend, den werden wir heute nacht gleich mit hinuntertragen. Ausnahmsweise freut es mich einmal, daß Sie der kräftigere von uns beiden sind.«
    Wajda lächelte verschmitzt. »Das Werk des Herrn erfordert breite Schultern.«
    Szukalski lachte und half seinem Freund, das Fleisch durch den Fleischwolf zu drehen. Als sie fertig waren, meinte der Priester: »Wenn wir jetzt Kohl hätten, dann könnten wir einen gefüllten Kohlkopf machen!«
    Dann kehrte Schweigen ein. Maria nahm das Fleisch, legte es in ein Becherglas und schüttete einen Liter destilliertes Wasser dazu. Dann verrührte sie den Inhalt zu einem dünnen Fleischbrei. Danach goß sie den Brei in einen großen Erlenmeyer-Kolben, den sie mit einem Gummipfropfen verschloß. »Ich denke, es wäre besser, wenn Sie den Fleischaufguß mit zu sich nehmen, um ihn dort kalt zu halten«, schlug Szukalski vor. »Ich möchte nicht in die Verlegenheit kommen, Bruckner Erklärungen geben zu müssen. Ich will, daß alles so aussieht, als handle es sich um ganz normale Vorgänge in einem Krankenhaus.«
    Nachdem sie die Glasgefäße sorgfältig versteckt hatte, wickelte Maria den Kolben mit dem Kalbfleischaufguß in einen Kopfkissenbezug und verbarg ihn unter ihrem Mantel. Dann verließ sie das Krankenhaus durch den Vordereingang. Szukalski und Piotr Wajda nahmen vorsichtig den Inkubator aus dem Lagerraum. Sie kamen mit dem Gerät nur langsam voran, und zwischen der Sankt-Ambroż-Kirche und dem Krankenhaus lagen zehn Querstraßen. Doch sie hatten Glück und konnten den Weg zurücklegen, ohne von patrouillierenden deutschen Soldaten gesehen zu werden. Schließlich betraten sie die Kirche durch die Hintertür, die von Dieter Schmidts Hauptquartier aus nicht einsehbar war.
    Das Quietschen des alten Eisentores, das sich am Fuße einer steilen Wendeltreppe befand, hallte durch das ganze Gebäude und wurde von den Gewölbedecken und den gotischen Pfeilern als Echo zurückgeworfen. Aber die Kirche war leer.
    {143} Der Geruch von Moder und Fäulnis, der in Szukalskis Nase drang, als sie eine weitere Wendeltreppe hinunterstiegen, vermittelte ihm das Gefühl, daß er sich in die Vergangenheit zurückbewege. Und auch die Sarkophage mit ihren Reliefplatten, in die Bildnisse der Verstorbenen eingraviert waren, bestärkten ihn in diesem Gefühl.
    »Schon seit langer Zeit wird hier unten niemand mehr bestattet«, flüsterte Wajda, der Szukalskis Unbehagen spürte.
    »Darüber können wir wirklich froh sein«, versetzte Szukalski. Piotr Wajda brauchte nicht lange, um die Kabel, die er unter den Teppichen versteckte, von der Sakristei in die Krypta zu verlegen. Dann schlossen sie den Inkubator an.
    »Wir werden den Thermostat auf siebenunddreißig Komma fünf Grad einstellen«, bestimmte Szukalski, der immer noch flüsterte. In dem engen Raum wurde selbst der leiseste Schritt viele Male verstärkt. Sie verließen die Krypta, stiegen wieder in die Kirche mit ihrer relativ frischen Luft hinauf und begaben sich direkt zur Wohnung des Priesters, wo sie den kleinen Eisschrank abholten.
    Gegen ein Uhr nachts waren sie fertig. Als Szukalski nach Hause kam, ging er gleich zu Bett und legte sich neben Katarina, die schon schlief. Als er sich die Daunendecke bis zum Kinn hochzog, war er dankbar für die Wärme, die der Kachelofen in der Ecke spendete. Er starrte an die dunkle Decke und dachte über die Wendung nach, die sein Leben allmählich nahm, und während er langsam einschlief, überlegte er, ob er nicht am nächsten Morgen beim Aufwachen feststellen würde, daß alles nur ein Traum gewesen war.
     
    »Werden deine Eltern böse auf dich sein?« fragte Hans Keppler, und legte den Arm um Anna.
    »Du bist sehr verständnisvoll. Ich bin schon lange nicht mehr ausgegangen, denn wie du ja weißt, haben die meisten jungen Männer Sofia vor längerer Zeit verlassen und sind entweder im Blitzkrieg gestorben oder irgendwie aus Polen geflüchtet. Ich hatte einen Freund bei der Luftwaffe. Drei Wochen nach der Besetzung erhielt er einen falschen Paß, einen neuen Namen, er ließ sich einen Bart wachsen und ist über Rumänien geflohen. Man hat mir erzählt, daß er jetzt bei der englischen Luftwaffe

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