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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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darüberlegen. Ihr seht ja, daß man den Deckel heben und ein Mann bequem in das Faß schlüpfen kann. Ich gedenke, darin zu warten, bis der Zug nach der Inspektion der Brücke anfährt, und während er langsam über mir vorbeirollt, werde ich die Behälter mit Nitroglyzerin an den Achsen anbringen.«
    »Und der abrupte Halt danach?«
    »Am Angriffstag werden wir auch auf der anderen Seite der Brücke, {138} ungefähr fünfzig Meter davor, ebenfalls ein Loch unter eine Schwelle graben, einen kleinen Nitro-Kanister verstecken und dann einen Bolzen entfernen, damit die Gleise richtig vibrieren und die kleine Ladung explodiert. Weil der Zug daraufhin sofort abbremsen dürfte, müßten dann die anderen Ladungen darunter in die Luft gehen, die Brücke wird einstürzen, und der Zug fällt in die Weichsel. Ich bete nur, daß das Eis dick genug ist, damit nicht die gesamte Ladung untergeht. Wenn wir den richtigen Zug ausgewählt haben, dann haben wir nachher genug Gewehre und Munition, um eine ganze Armee auszurüsten.«
    David blickte zu Abraham, seinem empfindsamen jungen Freund, hinüber und nickte ihm zu. Abraham Vogel, der die meiste Zeit seines zwanzigjährigen Lebens damit verbracht hatte, sich auf eine Laufbahn als Konzertviolinist vorzubereiten, schien nicht zu diesem Haufen hartgesottener Aufständischer zu passen. Er war eher ein schüchterner, ruhiger junger Mann mit schwermütigem, grüblerischem Blick und dem Lächeln eines Träumers. Aber David Ryż wußte, was in Abraham wirklich vorging, denn die beiden waren die besten Freunde, einander so nahe wie Brüder, und Abraham hatte David seine geheimsten Gedanken anvertraut. Auch Abraham träumte von einer Armee, die sich gegen die Deutschen erhob, und seine Vision war nicht weniger idealistisch als Davids. Beide wußten, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis sie einen der Nachtzüge stoppen und aus den darin transportierten Gefangenen eine Armee bilden würden. Aber zunächst einmal benötigten sie Waffen.
    Brunek Matuszek fuhr fort: »Ich habe heute morgen im Wald mit Edmund Dolata gesprochen. Er machte sich Sorgen wegen der Sache auf dem Feld, aber er hat sich bereiterklärt, uns fünf Pferdewagen und zuverlässige Männer zu besorgen, die uns helfen werden. Wir müssen ihm nur rechtzeitig Bescheid geben. Esther, ich denke, das wäre genau die richtige Aufgabe für dich.«
    Esther blickte unwillig. »Ich würde lieber den Zug in die Luft jagen.«
    »Esther …«, wandte sich Moisze an sie, aber sie unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
    »Ihr werdet euer Bestes geben müssen, damit die Nazis nicht fliehen können. Wenn irgendwer von euch Angst hat zu schießen oder sonst {139} nicht weiß, ob er …« Brunek blickte in die Runde der Versammelten. Keiner rührte sich.
    »Was wir vorhaben, ist gefährlich«, erklärte er voller Pathos, »und ich kann nicht garantieren, daß ihr lebend davonkommt. Aber ich bin stolz auf euch alle. In ganz Polen machen Partisanen wie wir den Nazis das Leben schwer, aber noch nicht schwer genug. Die Truppen der Wehrmacht schaffen es immer noch bis zur Ostfront, und die Deutschen herrschen weiterhin über uns.«
    »Aber nicht mehr lange«, murmelte Leokadja, und David sah in dem finsteren Licht der Höhle, daß die Flammen der Leidenschaft in ihren Augen loderten.

10
    Als Piotr Wajda ins Labor kam, waren Szukalski und Dr. Duszynska schon bei der Arbeit. Sie säuberten und sterilisierten Glasgefäße als Vorbereitung auf die Herstellung des Impfstoffs.
    »Ich bringe mit, worum Sie mich gebeten haben«, sagte der Priester und blickte sich argwöhnisch um.
    »Danke schön, Piotr, vielen Dank. Und machen Sie sich keine Sorgen, wir sind ganz alleine. Nach sechs Uhr ist das Labor menschenleer; Bruckner, der Laborant, ist zu Hause, so daß wir es ganz für uns alleine haben. Kommen Sie nur her und schauen Sie, was wir tun.«
    Der Priester zog seine Baskenmütze ab und legte sie auf die Hutablage. Dann folgte er Jan, der zu Maria ging.
    »Guten Abend, Herr Pfarrer«, begrüßte sie ihn mit einem freudigen Lächeln.
    »Dr. Duszynska.«
    Szukalski nahm das Päckchen, das der Priester mitgebracht hatte, und legte es auf den Labortisch. »Wunderbar«, freute er sich, während er es öffnete, »ich möchte Sie bitten, das Fleisch zu nehmen und alles Fett und Gewebe von der Art, wie Sie es hier sehen, abzuschneiden.«
    Er zeigte auf die faserigen Sehnen, welche die einzelnen Bereiche des Fleisches zusammenhielten. »Und danach drehen Sie

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