Nachtzug
das Fleisch bitte durch den Fleischwolf.«
{140} Piotr Wajda starrte voller Verwunderung auf die geheimnisvollen Apparaturen, die überall herumstanden, und fragte: »Jan, was geht hier vor sich?«
Maria, die am Spülbecken des Labors fleißig Teströhrchen und Kolle-Schalen ausgewaschen hatte, wandte sich jetzt dem Priester zu und erklärte, was sie vorhatten. »Heute abend werden wir einen Kalbfleischaufguß zubereiten, der den grundlegenden Bestandteil des Nährbodens darstellt, auf dem wir Proteus-Bakterien züchten werden. Wenn wir fleißig arbeiten, werden wir morgen abend unser Nährmedium inokulieren und in der Nacht darauf die gezüchteten Bakterien ernten und den Impfstoff herstellen können.« Sie zeigte auf ein großes Küchenmesser, das der Priester für die Bearbeitung des Fleisches verwenden sollte. »Heute nacht bereiten wir die Glasgefäße, die Gaze und die Baumwollpfropfen für die Kolle-Schalen vor«, erklärte sie weiter und hielt ein kleines Gefäß in die Höhe, das wie eine Birne mit flacher Basis und kurzem Hals aussah.
Während der Priester sich daranmachte, das Fleisch zurechtzuschneiden, beobachtete Szukalski konzentriert die Schale mit dem Nährboden, den er und Maria schon früher am Tag vorbereitet hatten.
»Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell Bakterien wachsen. Kein Wunder, daß manche Krankheiten so rasch voranschreiten … Ich glaube, es gibt keine Zweifel, daß es sich bei unseren Bakterien hier um Proteus handelt.« Er reichte die Schale Maria, die sie hochhielt und das Wachstum der Bakterien genau analysierte. Eine Reinkultur dichter, runder halbkugelförmiger Erreger. »Sie haben recht, Jan. Aber …« Sie blickte auf. »Ist es auch der OX -19-Stamm?«
»Das können wir nicht wissen, bevor wir unser Serum an Keppler ausprobiert und seine Blutprobe ins Zentrallabor geschickt haben, um den Weil-Felix-Test vornehmen zu lassen. Wie auch immer, Piotr«, Szukalski wandte sich jetzt dem Priester zu und zeigte sich erfreut über die ordentliche Arbeit, die dieser an dem Kalbfleisch verrichtete, »haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wo wir ungestört arbeiten können?«
Pfarrer Wajda legte sein Messer hin und schaute ihn an. »Mir ist nur ein Ort eingefallen, und es ist wirklich der geeignetste von ganz Sofia. Einen besseren gibt es nicht.«
»Wunderbar! Und wo ist er?«
{141} »Es handelt sich um die Krypta unter der Kirche.«
Szukalski zog ein langes Gesicht. »Oh, ich weiß nicht, ob …«
»Nun hören Sie mich doch erst einmal an«, versetzte der Priester lächelnd, »Sie brauchen einen Ort, an dem Sie vollkommen ungestört und gefahrlos arbeiten können. Es gibt in Sofia aber keinen solchen Ort. Bis auf diesen einen.«
»Aber Żaba, die Meßdiener …«
Wajda schüttelte den Kopf. »Żaba ist der abergläubischste alte Mann von ganz Polen. In den fünfzehn Jahren, die er mir jetzt dient, ist er nicht ein einziges Mal in die Krypta hinuntergegangen. Sogar als ich einmal einen Wasserschaden am Fundament befürchtete und ihn bat, unten nachzuschauen, da weigerte er sich. Jan, dies war überhaupt das einzige Mal, daß er sich einer Anordnung von mir widersetzte. Und die Meßdiener? Sie fürchten die Krypta. Dort sind alte Priester begraben, mittelalterliche Sarkophage und die mumifizierten Leichen meiner Vorgänger sind allgegenwärtig. Dieser Ort ist tabu, Jan, man meidet ihn, und zwar nicht wegen irgendwelcher Vorschriften oder Gesetze, sondern weil man sich fürchtet und abergläubisch ist. Seit Jahren ist niemand in der Krypta gewesen, dann wird uns jetzt auch niemand dort stören. Jan, Sie sind ein regelmäßiger Kirchgänger, und Dr. Duszynska ebenso. Deshalb ist es auch nichts Ungewöhnliches, wenn man Sie in der Umgebung der Kirche sieht. Die Deutschen würden niemals etwas erfahren, und selbst, wenn es so wäre, die Krypta ist sehr gut verborgen. Ich glaube nicht, daß es viele gibt, die wissen, daß sie überhaupt existiert.«
»Aber wir werden Licht benötigen.«
»Daran habe ich schon gedacht. Wir können elektrische Leitungen von der Sakristei verlegen. Glauben Sie mir, Jan, es ist der sicherste Ort.«
Jan Szukalski blickte zu Maria, die noch nicht restlos überzeugt wirkte. Auch seine Skepsis war nicht völlig gewichen. »Sehr schön, Piotr. Hören Sie mir bitte gut zu: Im Lagerraum unseres Labors steht ein alter Inkubator, und er befindet sich schon so lange dort, daß niemand ihn vermissen wird. Können wir ihn heute nacht zur Kirche bringen
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