Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
Vom Netzwerk:
nur. Der Soldat, der Djapa erschossen hatte, versetzte ihr einen Tritt, daß sie die Treppe hinunter auf die Straße flog. Und der andere, der lachte, er …, er fragte mich, ob Alexander etwa deshalb weine, weil man gerade seinen Bruder getötet habe. Es war wie ein … Alptraum.«
    »Jan, setzen Sie sich erst einmal, und beruhigen Sie sich.« Pfarrer Wajda erhob sich und schaute Maria ernst an. In dem milchigen Neonlicht des Labors wirkte ihr Gesicht totenblaß. Angst, ja Entsetzen waren ihr deutlich anzusehen. »Er weiß, daß wir etwas vorhaben!« flüsterte sie. »Dieter Schmidt weiß es!«
    »Nein, das tut er nicht«, erwiderte der Priester rasch und versuchte, gegen seine eigenen Panikgefühle anzukämpfen. »Wir sollen nur denken, daß er etwas weiß. Schauen Sie sich doch nur um, Frau Doktor, schauen Sie nur!«
    Sie ließ den Blick rundum schweifen, und mit weit aufgerissenen Augen gewahrte sie die verschiedenen Laborapparaturen, die Kolben und Schläuche, die teils hell beleuchtet waren, teils sich in der Dunkelheit verloren. Alles wirkte mit einemmal fremd auf sie, der Raum machte einen finsteren, fast bedrohlichen Eindruck.
    »Wir sind allein«, flüsterte der Priester, »und wir sitzen hier, ohne daß uns jemand stört. Wenn Schmidt nur die leiseste Ahnung hätte, dann wäre er jetzt schon hier und würde dieses Labor zu seinem Zeitvertreib demolieren und uns in seinen Keller schleppen. Noch sind wir sicher, Frau Doktor, noch. Aber bestimmt nicht mehr lange.«
    Szukalski faltete die Hände und drückte sie so fest zusammen, bis das Blut aus ihnen wich. »Ich muß Ihnen beiden gestehen, daß ich bisher zweifelte, ob wir es schaffen könnten, eine Epidemie vorzutäuschen, {159} aber jetzt glaube ich, daß wir keine andere Wahl mehr haben. Manchmal denke ich, wir hätten es schon lange versuchen sollen.«
    Die drei blickten einander in dem unheimlichen Licht des Labors an und nickten zustimmend. »Wer ist es?« fragte Maria. »Wer in Sofia steckt hinter dem Widerstand, Jan?«
    »Das kann ich auch nicht sagen, sie haben sich sehr gut abgeschottet. Ich glaube nicht, daß sie ihr Hauptquartier in der Stadt haben, aber ganz sicher bin ich mir da auch nicht.«
    »Vielleicht sollten wir ihnen helfen, Jan«, schlug der Priester mit bedrückter Stimme vor.
    Szukalski starrte seinen Freund überrascht an. »Wie bitte?«
    »Immerhin kämpfen sie, Jan, sie riskieren ihr Leben und erreichen etwas. Vielleicht sollten auch wir allmählich anfangen, gegen die Nazis zu kämpfen, und zwar in der Sprache, die sie verstehen.«
    Szukalski ließ sich den Vorschlag einen Augenblick durch den Kopf gehen, dann schüttelte er den Kopf.
    »Dieser Weg kann nicht besser sein, Piotr. Ja, die Partisanen erzielen schon gewisse Erfolge, aber immer nur kurzfristig. Am Ende werden sie jedoch unterliegen und so viele ihrer Leute verlieren, wie sie Deutsche töten. Wir gehen den besseren Weg, Piotr, und wir drei, wir werden mit unserem passiven Widerstand Erfolg haben. Wir werden viele Menschenleben retten, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.«
    »Er hat recht«, pflichtete Maria ihm bei. »Es mag für die Deutschen unangenehm sein, wenn man eine Brücke hochjagt, doch letztlich wird es sie nicht aufhalten. Unsere Methode ist besser.«
    Pfarrer Wajda nickte resigniert.
    Die zwei Ärzte machten sich an die Arbeit. Unterdessen beobachtete der Priester aufmerksam, was sich unten auf der Straße abspielte. Auf dem Bürgersteig patrouillierten Soldaten in Zweiergruppen, die Gewehre über den Schultern. Er wandte sich ab und musterte die beiden Ärzte, die sich konzentriert ihrer Arbeit widmeten. Ihre Art zu kämpfen ist nicht weniger tapfer und gefährlich als die, für die man sich an der Weichsel entschieden hat, dachte er. Man kann die Nazis nur besiegen, wenn man schlauer ist als sie.
    »Sind wir bald fertig?« erkundigte er sich leise.
    Jan nickte.
    {160} Piotr Wajda schüttelte den Kopf. »Ich sehe immer noch nicht, wie Sie es anstellen wollen, Jan. Es ist nicht möglich, eine Epidemie vorzuspielen; irgend jemand würde es am Ende wahrscheinlich verraten.«
    »Wer denn? Von uns dreien bestimmt keiner. Und Keppler auch nicht, für ihn steht genausoviel auf dem Spiel wie für uns. Wer käme denn noch in Frage?«
    »Einer von denen, die Sie impfen werden.«
    Ein listiges Lächeln huschte über Jan Szukalskis Gesicht. »Sie unterschätzen mich, mein Freund. Ich gedenke nicht, auch nur eine weitere Person in unser Geheimnis

Weitere Kostenlose Bücher